Von Hannes Hansen

Kiel. Wer glaubt, dass es in einer Sardinendose eng zugeht, war am Samstagabend nicht im Prinz Willy. Anlass für den Ansturm in der Musikkneipe in der Kieler Lutherstraße war CousCous. Nein, nicht ein arabisches Gericht, sondern das Dresdner Duo gleichen Namens. Bekannt geworden sind die Sängerin Tina Schulz und ihr Begleiter am Piano Moritz Essinger, der ab und an auch einmal zur Gitarre griff, als sie vor zwei Jahren mit Hilfe von Crowdfunding ihre erste CD „Paper Tiger“ veröffentlichten. Songs von dieser CD waren im ersten Teil des Abends zu hören, und die gefühlvollen Lieder des Duos, alle übrigens auf Englisch, fanden im Prinz Willy mehr als freundlichen Beifall.

„Acoustic Art Pop“ nennt CousCous – Tina Schulz: „Wir fanden den Namen einfach wohlklingend“ – seine Musik, „Märchenpop“ schlug ein Zuhörer in Chemnitz vor. Die Kategorisierung trifft nur bedingt, greift sie doch viel zu kurz. Zum einen gelingt es den beiden Musikern, ohne Hilfe von Elektronik die Untiefen der seichteren Formen des Pop zu vermeiden und ihn durchaus zu einer Kunstform eigener Art zu entwickeln. Zum anderen aber verarbeitet der „Pop“ der beiden Dresdner viele Einflüsse unterschiedlichster Provenienz. Singer/Songwriting, Folk, Rock und gelegentlich sogar der Jazz sind, wenn nicht die Eltern, so durchaus die Paten ihrer Musik. Sängerinnen wie Björk und Mari Boine mögen als Vorbilder auch eine Rolle gespielt haben.

Den märchenhaften Ton schlug das Duo etwa mit dem Song „Rapunzel“ an. Die aber ist nicht mehr das brave Mädchen aus Grimms Märchen, das eingesperrt in seinem Turm jahrelang auf den Prinzen wartet. CousCous’ Rapunzel hat keinen Bock auf Warten, sondern klettert aus ihrem Verlies, um sich auf eigene Faust durch die Fährnisse des Lebens und der Liebe zu schlagen. Auch die Ballade von „Snowwhite“ schlägt in die gleiche Kerbe. Das Schneeweißchen hat es nicht leicht, lässt sich aber nicht unterkriegen.

Waren dies Songs aus vergangenen Jahren, so präsentierte CousCous nach der Pause neue Lieder, die einmal, so das erneute Crowdfunding erfolgreich ist, auf der CD „Tales“ zu hören sein werden; einer CD, der auch ein aufwendig gestaltetes Buch beigegeben werden soll. Der Propagierung des Projekts dient die Tournee, die CousCous auch nach Kiel ins Prinz Willy führte. Vielleicht noch balladenhafter, noch erzählerischer sind diese Lieder über Lust und Leid, das Leben an sich und die Liebe, die nicht immer grohohhoße, der man aber ab und an auch mit einem Augenzwinkern begegnen kann.

Mit ihrer ausgesprochen gelenkigen Stimme sorgte Tine Schulz für die angemessene Interpretation dieser und anderer poetisch angehauchten Songs und Balladen. Klang sie zunächst geradezu elfenhaft mit ihrem klaren, silbrig glänzenden Sopran, der die Melodie bis an die Grenze zum süßen Schmelz ausreizte, wusste sie im nächsten Augenblick die aufkommende Gefühligkeit mit einer rockigen Röhre zu brechen, der man anhörte, dass die Sängerin ursprünglich aus dem Punkrocklage stammte. Moritz Essinger sorgte mit wuchtigen Blockakkorden und im Wechsel mit auf wenige Töne reduzierten, ausgedünnten single-note-lines für das angemessene Gegengewicht. In beiden Fällen überzeugte CousCous überdies mit der Beherzigung der alten Musikerweisheit, dass das Wichtigste an der Musik die Pausen sind. Synkopierungen, Taktwechsel und stimmig eingesetzte Pausen bestimmten so die Phrasierung von Gesang, Piano und Gitarre.