Harry Rowohlt im Metro
Von Hannes Hansen
Kiel. Dass ein Kollege der Kieler Nachrichten Harry Rowohlt einmal einen „Paganini der Abschweifung“ genannt hat, woraus ein süddeutscher Buchhändler dann einen „Papageno“ gemacht habe, hat schon seine Richtigkeit. Aber dass der raubauzige Entertainer, anarchische Essayist und geniale Übersetzer, der am Mittwoch im seit Monaten ausverkauften Metro wieder einmal mit seinen Sottisen, politischen Unkorrektheiten, Witzen, Liedern und Übersetzungen ein erwartungsfrohes Publikum zu Lachstürmen hinriss, auch ein Johann Sebastian Bach der Mehrfachverwertung, Kontrafaktur und Selbstparodie ist, wird man nach seinem diesjährigen Kieler Auftritt endgültig konstatieren müssen. Klassiker wie „Ha Es Vauuuh? Haaa Es Vauuuuuh? Is das nich der Tennisverein mit ’ner Fußballabteilung“, erwartet man ja auch von einem Mann, der die goldene Ehrennadel des FC St. Pauli trägt; und die Geschichte von dem Hamburger, der im Bremer Ratskeller zu Einheimischen, die über Hamburg lästern, sagt: „Komisch, in Hamburg sagen wir gar nichts über Bremen“, hat man auch schon in wechselnder Ausschmückung des öfteren in Kiel gehört.
Aber macht das was? Nöö, das mach goaar nix, um im Hamburger Jargon zu bleiben, den Harry Rowohlt meisterhaft einzusetzen weiß. Denn, nicht, wahr, zum einen hört man die Klassiker halt immer wieder gerne, zumal, wenn sie sich anhören, als seien sie dem ausgebufften Meister der Abschweifungen gerade eben erst eingefallen. Zum anderen brachte er mit Übersetzungen von saukomischen Erzählungen des Amerikaners Andy Stanton und Glossen aus „Pooh’s Corner“ durchaus Neues mit nach Kiel. Frappierend bei seinem Vortrag die einmalige Mischung aus gediegener Bildung, mit deren Verachtung Harry Rowohlt gerne einmal kokettiert, um sie dann im nächsten Moment dem Publikum um die Ohren zu hauen, aus Prolljargon und breitestem Hamburger Missingsch. Sie ist ebenso vergnüglich anzuhören wie das kontrollierte Auswalzen der Anekdoten und Geschichten, auf das ein blitzschneller Tempowechsel folgt, und die Gemeinheiten eines Linken gegen linke Selbstgewissheiten.
Vor allem aber sind und waren am Mittwoch Harry Rowohltsl clowneske Fähigkeiten das Kapital, mit dem er wuchert. Zum Dritten nämlich könnte er auch das Telefonbuch vorlesen, und man würde sich vor Lachen biegen. Die abgeleierte „amerikanische B-Hymne“ „America the beautiful“, ist, wenn er sie herausknarzt, -wispert, -grölt, nicht mehr peinlich sondern nur noch komisch, und „Stadt Hamburg an der Elbe Auen“, die hansestädtische A-Hymne, schon wieder erträglich.
Dass übrigens Harry Rowohlts Auftritt, seit er nicht mehr öffentliches Kampf- und Schautrinken veranstaltet und dabei ins inhaltsarme Schwadronieren gerät, mit nur noch knapp drei Stunden Dauer an Qualität gewonnen hat, man vermerkte es mit Vergnügen. Nur noch viermal im Jahr dürfe er, der Silvester mit Blick auf den Alkoholkonsum „die lange Nacht der Amateure“ nennt, „sich die Kante geben“. Auch die dazu gehörige Geschichte, wie nebenbei erzählt, war schon in einem interview der TAZ zu lesen. Na und?
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