Die Stadt ehrt Kammerschauspieler Siegfried Kristen für 50 Jahre auf Kieler Bühnen

Von Christoph Munk

Kiel. Natürlich hat er noch Pläne: „Ich möchte ja schließlich selbst entscheiden, wann ich endgültig von der Bühne abtrete“, sagt Kiels Kammerschauspieler Siegfried Kristen. Nein, mit seiner gegenwärtigen, von schwerer Krankheit aufgezwungenen Rolle als passiver Zuschauer will er sich nicht abfinden. Also plant er weitere Auftritte bei Lesungen und ähnlichen Veranstaltungen. „Momentan sind das meine einzigen Möglichkeiten. Aber das Theater war schließlich über Jahrzehnte mein Zuhause.“ Seit einem halben Jahrhundert kennt ihn sein treues Kieler Publikum, und darum ehrt ihn die Stadt heute zu seinem 50-jährigen Bühnenjubiläum – einen Tag bevor er seinen 84. Geburtstag feiert.

Ganz vorn im Rampenlicht fühlte sich Sigi Kristen meist nicht besonders wohl. Aber es tat ihm gut, dass er immer wieder auf der Bühne gebraucht wurde. Er war der klassische Teamspieler, der sein Können auch in schauspielerischen Miniaturen zeigte, in der gepflegten Charge wie in den großen Aufgaben, wo er, besonders in reifen Jahren, vielfältige Gestalten sehen ließ und markante Charaktere schuf. „Ich habe eben Spaß an Verwandlungen“, begründete er einmal seine nie nachlassende Neugier auf interessante Rollen. Die Zuschauer profitierten davon. Denn Kristen servierte ihnen, die ihn seit der Spielzeit 1962/63 gut zu kennen glaubten, immer wieder neue Überraschungen, gerade in eindrucksvollen Altersrollen. Den Vater in Mankells Flüchtlingsdrama „Zeit im Dunkeln“ etwa, den jüdischen Bäcker in Kraiems „Sechzehn Verletzte“. Oder – mit ganz anderen Farben – den stoischen Elektriker in der „Komödie im Dunkeln“ und den schelmischen Puck in Shakespeares „Sommernachtstraum“.

Theater ist eine flüchtige Kunst. Siegfried Kristen hat immer in diesem Bewusstsein gelebt. Festzuhalten sind Erinnerungen: Fotos, die Sigi unermüdlich mit der Kamera sammelte, oder Anekdoten, die er mit Leidenschaft erzählt. Und von Bestand ist das soziale und menschliche Engagement, das der Schauspieler in vielen Ämtern hinter den Kulissen zeigte. Unverwüstlich aber bleiben die Lust am Spiel und die Freude an den Verwandlungen im Scheinwerferlicht. Sie beleben Sigi Kristen weiterhin, auch wenn ihn vor zwei Jahren der Schlag von der Bühne holte. Ehrungen zum Bühnenjubiläum und Gratulationen sind eine schöne Sache, für den Kammerschauspieler jedoch noch lange kein Grund nachzulassen. Besser erscheinen ihm Pläne für neue Rollen.