Abschluss des Literatursommers „Dänemark“

Von Hannes Hansen

Karen Blixen (Foto: SAS Scandinavian Airlines)

Karen Blixen
(Foto: SAS Scandinavian Airlines)

Kiel. Es ist eine geheimnisvolle Geschichte, die die in Deutschland vorwiegend durch den Film „Jenseits von Afrika“ bekannt gewordene Tania Blixen (1885 -1962) in der Novelle „Der Ring“ erzählt. Sie führt zurück in ein scheinbar idyllisches Leben im ländlichen Dänemark des neunzehnten Jahrhunderts. Eine kaum der Kindheit entwachsene Frau glaubt, in der Liebe zu ihrem Mann die Erfüllung ihres Lebens zu finden. Eingekapselt in diese Liebe scheint sie auf einer Insel der Seligen zu leben, doch nach kurzem Glück bricht der Schrecken in Gestalt eines abgerissenen Vagabunden und Mörders in ihre Welt ein. Das Treffen mit dem Fremden, einem Boten aus einer Wirklichkeit, die das Ehepaar zu verleugnen schien, wird die Liebe der jungen Frau für immer zerstören und sie abrupt in eine ungewisse Zukunft stoßen.

Die Novelle zeigt die ganze Erzählkunst Tania Blixens, die von Kollegen wie Ernest Hemingway bewundert wurde, der meinte, sie habe eher als er den Literaturnobelpreis verdient. Sie besticht mit atmosphärisch dichten Bildern, mit genauer, klassisch nobler Sprache und zunächst harmlos anmutenden Verweisen auf das Ende mit Schrecken, das in der Rückschau als zwingend erscheint und die scheinbar heile Idylle als Schimäre entlarvt.

Hannelore Hoger Foto: Enrique Bressot-Carton

Hannelore Hoger
(Foto: Enrique Bressot-Carton)

Mit Tania Blixens „Der Ring“ begann Hannelore Hoger ihre Lesung zum Abschluss des Literatursommers „Dänemark“ im seit Tagen ausverkauften Literaturhaus. Zur Einstimmung hatte Siegfried Gerlich, ihr ständiger Begleiter am Klavier, mit Claude Debussys „Clair de Lune“ den Ton für den Abend gefunden und das Publikum in zwischen gelassener Heiterkeit, geheimnisumwitterter Spannung und Melancholie wechselnde Stimmung versetzt.

Hans Christian Andersen. (Foto: Royal Danish Library)

Hans Christian Andersen. (Foto: Royal Danish Library)

Nach der Pause las Hannelore Hoger drei Märchen des dänischen Nationaldichters Hans Christian Andersen. Nach der in heiterer Resignation endenden  Geschichte „Die Hirtin und der Schornsteinfeger“ über die Liebe zwischen zwei Nippesfiguren fuhr sie mit dem weltbekannten Märchen „Der standhafte Zinnsoldat“ fort, dessen Held im Feuer der Liebe schmilzt. Beide Erzählungen über die in Kläglichkeit oder Verklärung mündende Utopie der großen, der nie vergehenden Liebe bildeten in  ihrer poetisch verspielten und nur scheinbar harmlosen Form das Pendant und den Gegensatz zu Tania Blixens im Helldunkel angesiedelter Novelle. „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“, eine gefühlvolle, sentimentalische Apotheose des Todes eines von den Menschen misshandelten und verlassenen Kindes beschloss den Abend.

Und dann folgte noch auf Wunsch des begeistert applaudierenden Publikums eine Zugabe. Oscar Wildes Erzählung „Die Nachtigall und die Rose“ über eine für die Liebe sich aufopfernde Nachtigall und die sich daraus ergebenden schnöden Folgen löste mit ihrer Mischung aus zuckersüßer Zärtlichkeit und beißender Ironie die Verzauberung, in die Hans Christian Andersens Märchen die Zuhörer versetzt hatte.

Fazit: Ein gelungener, stimmungsvoller Abend, weil Hannelore Hoger die Texte nicht einfach las, sondern – erfahrene Schauspielerin, die sie ist – mit angemessener Zurückhaltung stimmlich gestaltete. Eine Frage freilich bleibt: Galt der Andrang des Publikums zu ihrer Lesung wirklich der Literatur oder war er eher der Popularität der „Bella Block“ zu verdanken? Die Zahlen bei den vorhergehenden Veranstaltungen des Literatursommers und anderen Lesungen im Literaturhaus lassen Letzteres vermuten. Schade, aber wohl unvermeidlich.