Henning Schöttke stellte im Literaturhaus seinen Roman „Luxurias Glück“ vor

Von Hannes Hansen

Kiel. Die Luxuria, zu Deutsch die Wollust, ist, so lehrt die Katholische Kirche, eine der sieben Todsünden. Wer sich ihr hingibt, fährt, wenn nicht rechtzeitig Reue und Buße einsetzen und Absolution erteilt wird, stracks zur Hölle.

So streng wie Kirchenvater Augustinus und andere mittelalterliche Theologen geht Henning Schöttke mit der Heldin seines neuen Romans „Luxurias Glück“ nicht um. Im Gegenteil, er lässt sie, wenn auch erst als reife Frau, das Glück der Liebe erleben, der körperlichen wie der seelischen. Von Höllenfahrt kann da keine Rede sein, denn was Luxuria endlich widerfährt, muss ihr wie ein Abglanz des Paradieses vorkommen. Die Hölle schon auf Erden hat sie dagegen lange Jahre durchlebt. Von den sich ewig streitenden Eltern meist nur herumgestoßen, ist das arme Hascherl von ihrer Kindheit in den späten sechziger und frühen siebziger Jahren an auf der Suche nach Anerkennung, Geborgenheit und Liebe. Auf dieser Suche kommt das Mädchen, das zur Frau heranwächst, nicht nur gelegentlich von dem ab, was kirchliche und andere Sittenwächter wohl den Pfad der Tugend nennen. Auch ohne die Furcht vor der ewigen Verdammnis erfährt sie die Leere eines Seins, das Liebe mit sexueller Lust verwechselt.

Am Freitagabend stellte Henning Schöttke mit „Luxurias Glück“ den dritten Versuch vor, sich dem Thema auf moderne Weise zu nähern. Wie schon die vorangegangenen Bücher „Gulas Menü“ und „Acedias Traum“ deutet der Roman den Begriff der Sünde psychologisch um als uneigentliches Leben, als ein Dasein, das seinen Heldinnen eher geschieht als dass sie es gestalten. Absolution von ihrem Leid erfahren sie nach vielen Irrwegen erst, als sie zu sich selbst finden.

„Luxurias Glück“ ist der Roman einer Generation, die in den siebziger und achtziger Jahren erwachsen wurde. Mit seinen Verweisen auf die Hippie-Bewegung, die Studentenunruhen und die Protestaktionen gegen den Vietnam-Krieg, auf Anti-Atom- und Friedensbewegung besticht er durch atmosphärische Dichte. Das sollte eigentlich für eine spannende Lektüre reichen. Ob jedoch die ideologische Unterfütterung durch die mittelalterliche Sündenlehre der Geschichte eine weitere Dimension verleiht, die für ein tieferes Verständnis sorgt, darf bezweifelt werden. Als erzählerisches Gerüst für vier weitere, lose miteinander verknüpfte Romane, in denen es um Hochmut, Zorn, Neid und Geiz gehen wird, erscheint die Berufung auf die sieben Todsünden immerhin als plausibel.

Henning Schöttkes Lesung aus „Luxurias Glück“ ist am Kieler Literaturtelefon hier zu hören.