Am 16. September eröffnet das Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte die Norddeutsche Galerie mit fast 150 eigenen Werken
Von Hannes Hansen
Schloss Gottorf, Schleswig. Schon oft ist die Malerei als Leitform der Bildenden Künste totgesagt worden. Das begann mit der scheinbaren Konkurrenz durch die der Fotografie im neunzehnten Jahrhundert und zog sich durch die folgenden Jahrzehnte. Auch die Gegenwart ist nicht gerade arm an Grabreden oder zumindest Geschichten von einer Krankheit zum Tode; man denke nur an die Dokumenta X im Jahre 1997, als die Kuratorin Cathérine David der Malerei wegen mangelnder künstlerischer wie politischer Relevanz eine Kümmerexistenz verordnete. Doch Totgesagte leben oft länger und von einem Siechtum der Malerei ist wenig zu vermelden.
Ähnlich wie der Malerei insgesamt ging es dem Realismus. Mit dem Aufkommen der abstrakten Malerei im 20. Jahrhundert schien Schluss zu sein mit Im- und Expressionismus, mit Neuer Sachlichkeit, Surrealismus und Klassizismus. Vor allem in den ersten Jahren der jungen Bundesrepublik beherrschten Abstraktion und „Konkrete Kunst“ die Szene. Das geschah vor allem wohl aus ideologischen Gründen. Schließlich hatten sich einige Anhänger der realistischen Malerei den Nazis nicht nur angebiedert, sondern ihnen mit „Blut-und-Boden“-Kunst eine künstlerische Weihe verliehen, die angeblich das ganze Genre charakterisierte und die man nun, mit wenigen Ausnahmen, scheute wie der Teufel das Weihwasser. Dass Künstler wie Emil Nolde oder der Kieler Karl Friedrich Gotsch, die, wiewohl auf sehr unterschiedliche Weise, ebenfalls realistisch arbeiteten, Malverbot erhielten, schien man bei der Debatte gerne zu vergessen.
In der DDR dagegen verordnete man der Kunst einen Realismus, der sich „sozialistisch“ nannte. Doch der „Neue Realismus“ der Gruppe ZEBRA um Dieter Asmus und Peter Nagel etwa, moderne Strömungen wie „Magischer“ und „Fotorealismus“ hauchten der scheinbar kranken realistischen Malerei in all ihren Spielarten auch in der Bundesrepublik neues Leben ein. Man braucht ja nicht gleich so weit zu gehen wie der im schleswig-holsteinischen Gelting und Berlin lebende und arbeitende Klaus Fußmann, der der abstrakten Malerei wegen angeblicher Unverbindlichkeit keine große Überlebenschance gibt. Voraussagen zu treffen ist bekanntlich schwierig, vor allem, wenn sie, wie es ein Bonmot will, die Zukunft betreffen.
Die genannten Klaus Fußmann, Peter Nagel und Dieter Asmus sind nur drei der etwa achtzig Künstler aus Norddeutschland, die das Landesmuseum für Kunst und Kultur auf Schloss Gotttorf mit 150 Werken aus eigenem Besitz in einer neuen Dauerausstellung präsentieren wird. In der Norddeutschen Galerie wird sie heute um 18 Uhr eröffnet. Sie ergänzt die „Sammlung Horn“ in der Galerie der Klassischen Moderne, die Werke des Expressionismus mit Gemälden und Grafiken von Emil Nolde und weiteren Künstlern der „Brücke“ wie Kirchner und Pechstein zeigt. In der neuen Dauerausstellung begeben sich die Museumsbesucher auf eine Reise durch die letzten hundert Jahre deutscher Kunst, von den Anfängen des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Der Bezug zwischen der Kunst in der Sammlung Horn und der neuen Galerie ist gleich zu Beginn sichtbar: Der erste Raum beschäftigt sich mit Künstlern des Expressionismus. Es folgt die Kunst der Weimarer Republik im nächsten Raum. Dieser Raum setzt sich intensiv mit den verschiedenen Kunstrichtungen der Zeit auseinander wie der neuen Sachlichkeit oder auch dem Surrealismus. Es war ein Jahrzehnt des Experimentierens mit Farben, Formen und Themen.
Die Phase des Experimentierens endete mit dem Beginn der NS-Diktatur. Viele Künstler wurden mit Malverboten belegt, wie zum Beispiel Eduard Bargheer oder Karl Friedrich Gotsch. Aus jener Zeit hat der Freundeskreis des Landesmuseums in diesem Jahr ein Gemälde der Künstlerin Hedda Theen-Pontoppidan, die lange Jahre wenige Kilometer von Schleswig entfernt im Norden Schleswig-Holsteins gelebt hat, für die Sammlung des Museums erstanden.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges versuchte die Generation der Nachkriegszeit an die frühere Kunst der Weimarer Republik anzuschließen. Künstler dieser Zeit sind unter anderem Richard Haizmann, Erich Hartmann, Carl Hilmers und eine der jüngsten Freundeskreis-Erwerbungen, ein Gemälde von Oskar Kehr-Steiner.
Neuerungen in der Kunst treten verstärkt mit der 68er-Generation auf. Die Künstler des norddeutschen Raums verfolgen dabei besonders realistische Ansätze, ebenso wie gesellschaftskritische. Hierauf folgen dann die „Norddeutschen Realisten“ wie Friedel Anderson, Michael Arp, Tobias Duwe, Christoph Thiele oder auch Nikolaus Störtenbecker. Der Fokus dieser Generation liegt vor allem auf Alltagsgegenständen und Landschaftsmotiven.

René Schoemaker, „Adresse“ aus „Hiob“ (5-teilig), 2000, Acryl auf Leinwand
Foto: Landesmuseum Schloss Gottorf
Auch der zeitgenössischen Kunst widmet sich die neue Ausstellung. Vertreter sind hier u. a. Annemarie Schulte-Wülwer und der 1972 geborene René Schoemakers. Ein besonderer Raum ist den so genannten Gottorfer Baumkünstlern gewidmet. Unternehmer Prof. Günther Fielmann, seit 1999 Stifter des Baumpreises, schenkt dem Museum jedes Jahr anlässlich des Internationalen Museumstages ein Werk des geehrten Künstlers.
Norddeutsche Galerie in der Galerie der Klassischen Moderne, Eröffnung: 16. September, 18 Uhr
Kurator Dr. Christian Walda Leiter der Abteilung Gemälde
und Kloster Cismar am Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte
Öffnungszeiten: Mo.-Fr. 10-17 Uhr, Sa.+So. 10-18 Uhr (bis 31. Oktober)
Di.-Fr. 10-16 Uhr, Sa.+So. 10-17 Uhr (November bis März)
Führungen durch die NORDDEUTSCHE GALERIE:
Wissenschaftler-Führung: Sonntag 11. Oktober, 11.00 Uhr
Feierabend-Führung: Mittwoch 13. Januar 2016, 18.30 Uhr.
Folgende Künstler sind in der Norddeutschen Galerie vertreten:
EXPRESSIONISMUS
Albert Aereboe (1889-1970) | Heinrich Ehmsen (1886-1964) | Hans Fuglsang (1889-1917) | Hans Groß (1892-1981) | Curt Hilmers (1891-1978) | Max Kahlke (1892-1928) | Cesar Klein (1876-1954) | Werner Lange (1888-1955) | Franz Nölken (1884-1918) | Edwin Scharff (1887-1955) | Curt Stoermer (1891-1976)
WEIMARER REPUBLIK
Albert Aereboe (1889-1970) | Gottfried Brockmann (1903-1983) | Edgar Ende (1901-1965) | Otto Freytag (1888-1980) | Alexander Friedrich (1895-1968) | Richard Haizmann (1895-1963) | Ivo Hauptmann (1886-1973) | Carl Hilmers (1891-1978) | Max Kahlke (1892-1928) | Karl Kluth (1898-1972) | Käte Lassen (1880-1956) | Herbert Marxen (1900-1954) | Kay H. Nebel (1888-1953) | Hans Olde d. J. (1895-1987) | Franz Radziwill (1895-1983) | Hans Ruwohlt (1891-1969) | Martel Schwichtenberg (1896-1945) | Else Wex-Cleemann (1890-1978) | Niko Wöhlk (1887-1950)
NS-DIKTATUR
Hedda Theen-Pontoppidan (1912-2013) | Eduard Bargheer (1901-1979) | Friedrich Karl Gotsch (1900-1984) | Carl Hilmers (1891-1978) | Paul Holz (1883-1938) | Kurt Löwengard (1895-1940) | Elfriede Lohse-Wächtler (1899-1940) oder Carl Lohse (1895-1965) | Rolf Nesch (1893-1975) | Herbert Spangenberg (1907-1984)
NEUANFANG
Friedrich Karl Gotsch (1900-1984) | Richard Haizmann (1895-1963) | Erich Hartmann (1886-1974) | Carl Hilmers (1891-1978) | Oskar Kehr-Steiner (1904-1990)
BAUMKÜNSTLER
Friedel Anderson (geb. 1954) | Hinnerk Bodendieck (geb. 1965) | Stephen Conroy (geb. 1964) | Klaus Fußmann (geb. 1938) | Johannes Grützke (geb. 1937) | Bernhard Heisig (1925-2011) | Gustav Kluge (geb. 1947) | Diether Kressel (1925-2015) | John Meyer (geb. 1942) | Rainer Mordmüller (geb. 1941) | Armin Mueller-Stahl (geb. 1930) Max Uhlig (geb. 1937)
68er GENERATION
Dieter Asmus (geb. 1939) | Erwin Doose (geb. 1942) | Harald Duwe (1926-1984) | Horst Janssen (1929-1995) | Max H. Mahlmann (1912-2000) | Peter Nagel (geb. 1941) | Hanne Nagel-Axelsen (geb. 1942) | Eberhard Oertel (geb. 1937) | Gudrun Piper (geb. 1917) | Volker Stelzmann (geb. 1940) | Max Uhlig (geb. 1937) | Günter Wiese (1942) | Ludwig Wilding (1927-2010) | Paul Wunderlich (1927-2010)
NORDDEUTSCHER REALISMUS
Friedel Anderson (geb. 1954) | Michael Arp (geb. 1955) | Hans-Joachim Billib (1954-2013) | Brigitta Borchert (geb. 1940) | Johannes Duwe (geb. 1956) | Tobias Duwe (geb. 1961) | Erhard Göttlicher (geb. 1946) | André Krigar (geb. 1952) | Christoph Thiele (geb. 1956) | Nikolaus Störtenbecker (geb. 1940)
ZEITGENOSSEN
Gisela Bührmann (1925-2011) | Hartwig Ebersbach (geb. 1940) | Klaus Fußmann (geb. 1938) | Hanna Jäger (1927-2014) | Dieter Joachim Jessel (geb. 1932) | Harald Metzkes (geb. 1929) | Jörn Pfab (1925-1986) | Rolf Rose (geb. 1933) | René Schoemakers (geb. 1972) | Annemarie Schulte-Wülwer (geb. 1947) | Walter Stöhrer (1937-2000) | Karin Witte (geb. 1939)
PLASTIK (in unterschiedlichen Räumen)
Carl Arp (1867-1913) | Karl Hartung (1908-1967) | Jan Koblasa (geb. 1932) | Wilhelm Loth (1920-1993) | Martin Ruwoldt (1891-1969) | Manfred Sihle-Wissel (geb. 1934)
22. September 2015 um 10:30
Sehr informativer Blog, Glückwunsch