Wasserlandschaften in der Gegenwartskunst – eine Ausstellung in der Kieler Stadtgalerie

Von Hannes Hansen

Kiel. Den Besucher, der von der Andreas-Gayk-Straße kommend das Kulturforum betritt, begrüßt ein irritierendes Klicken. In rhythmischem Wechsel ist der Aufprall von Wassertropfen auf Metallplatten zu hören.  Ein Geräusch, das jeder kennt, im Alltag aber meist ausgeblendet wird, erklärt Heiko Wommelsdorf. Zusammen mit vier meterhohen Fallrohren an einer hohen Wand des Kulturforums, Alltagsgegenständen, wie sie an jedem Haus angebracht sind, verweist die Klanginstallation am „falschen Ort“ auf den immateriellen Stadtraum, der uns umgibt und den wir kaum bewusst wahrnehmen. Ein paar Schritte weiter, vor dem eigentlichen Eingang zur Stadtgalerie, lassen sechzehn gleichmäßig im Raum verteilte Sandsäcke, aus deren Mitte ein wenig moduliertes Rauschen wie bei einem Flusshochwasser klingt, an die Hochwasser an Rhein, Donau oder Elbe denken, von denen wir periodisch überrascht und bedroht werden.

Die Installation des 1982 geborenen Heiko Wommelsdorf  bietet gewissermaßen eine Einstimmung auf die Ausstellung „Waterscapes“, die Wasserlandschaften in der Gegenwartskunst zeigt. Zehn Künstlerinnen aus Finnland und Deutschland präsentieren auf der von der Ausstellungsmacherin Ritva Röminger-Czako, mit der die Stadtgalerie eine mehrjährige fruchtbare Zusammenarbeit verbindet, kuratierte Ausstellung mit Gemälden und Fotos, mit Installationen, Collagen und Videoarbeiten unterschiedlichste Formen der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Thema Wasser.

Kuva 8 001

Kuva 8 001

Antti Laitinen vom Jahrgang 1975 baute sich aus Borke, Ästen und Leinwand ein fragiles Boot, das an die Ursprünge der Seefahrt erinnert und mit dem er etwa dreißig Seemeilen von Finnland nach Estland segelte. Das Boot, Fotos und Filmaufnahmen von dieser und einer weiteren Reise auf einer künstlichen, schwimmenden  Insel samt Palme zeigen eine Performance, bei der es um das Ausloten psychischer wie physischer Grenzen geht.

Jaakko Heikkilä, "Venice 2010" Copyright Jaakko Heikilä

Jaakko Heikkilä, „Venice 2010“, © Jaakko Heikilä

Antti Laitinens neunzehn Jahre älterer Kollege Jaakko Heikkilä, wie er der Vertreter Finnlands auf der Biennale in Venedig, zeigt Fotos vom Verschwinden der Stadt. Zunächst recht konventionelle Aufnahmen von sich im Wasser spiegelnden venezianischen Häusern verwandeln sich in kaum noch erkennbare Verzerrungen und lösen sich schließlich in tachistisch anmutenden Reflexen auf. Die Schönheit dieser Bilder ist vergiftet, lässt sie doch an die Bedrohung und den möglichen Untergang der Serenissima denken.

Vergiftet ist auch die Schönheit der Arbeiten von Tuula Närhinen. Eine Kette aus Plastikteilchen, die die 1967 geborene Künstlerin am Strand der kleinen Insel gefunden hat, auf der sie lebt, ist hübsch und scheinbar harmlos. Die „Tränen der Meerjungfrau“ zeugen aber ebenso wie die Installation „Baltic Sea Plastique“ von der Verschmutzung der Ostsee. Filmaufnahmen von im Wasser treibenden Plastik, wie man sie aus naturkundlichen Museen und anatomischen Sammlungen kennt, belegen eine künstlerische Position, bei der ein herkömmliches Verständnis von Schönheit mit einem deutlichen Statement zur ökologischen Krise kontrastiert wird. „Schönheit allein ist auch in der Kunst nicht genug“ lautet die Botschaft.

Sebastian Stumpf, "Pfütze", Videoprojektion copyright Sebastian Stumpf

Sebastian Stumpf, „Pfütze“,
Videoprojektion
© Sebastian Stumpf

Die Gemälde und Zeichnungen Tilo Baumgärtels (Jahrgang 1980), Vertreter der neueren Leipziger Schule, zeigen verrätselte, oft bedrohliche Wasserlandschaften, die schemenhaften Figuren der 56-jährigen Tiina Heiska am und im Wasser bewegen sich in Traum- und Seelenlandschaften und Sebastian Stumpf belegt seine öffentlichen Performances, bei denen er etwa mit dem Kopf in einer Pfütze liegt oder von einer Brücke springt und verschwindet, mit Fotos.

Vom Kommen und Verschwinden handelt auch der Fim „The Black Sea Sequence“ von Elina Brotherius (Jahrgang 1972). Die Aufnahmen zeigen die Videokünstlerin beim Vertreten und Verlassen eines Sees. Sie kommt aus dem Irgendwoher und geht ins Irgendwohin. Für eine kurze Zeit verändert sich die Wasseroberfläche, dann liegt der See wieder in scheinbar unveränderlicher Stille. Die eindrückliche Videoinstallation überzeugt durch die Kombination von Spannung und Ruhe, der dialektischen Aufhebung ihrer Gegensätze.

Stefan Stößl (geboren 1970) zeigt auf über achtzig kleinformatigen Fotos Rheinschiffe, die mit Namen wie „Spes Salutis“, „Salva“, „Dissidentia“ oder „Evidence“ religiöse Assoziationen auslösen oder auch komisch wirken, wenn ein „General“ einen „Soldier 5“ schiebt. Die 1965 geborene Leipzigerin Annett Stuth schließlich zeigt Fotocollagen von Wasserlandschaften und großformatige Fotos mit Meeresaufnahmen, die, am Computer bearbeitet, wie Ölstudien wirken und an der dokumentarischen Wirklichkeit der Bilder zweifeln lassen.

Eine Stärke der Kieler Ausstellung ist die Vielfalt der künstlerischen Positionen, die sie repräsentiert. Sie belegt die Strahlkraft des Themas „Wasser“ als Lebenselixier, als Transportweg, Sehnsuchtsort oder Bedrohung.

Stadtgalerie Kiel, „Waterscapes“, Eröffnung 18.9., 19 Uhr. Dauer 19.9. – 22. 11. Öffnungszeiten: Di, Mi, Fr 10 – 17 Uhr, Do 10 – 19 Uhr, Sa, So 11 – 17 Uhr