Neues aus Island: Auður Ava Ólafsdóttir im Literaturhaus
Von Hannes Hansen
Kiel. Vielleicht, denkt die namenlos Erzählerin in Auður Ava Ólafsdóttirs Roman „Ein Schmetterling im November“, den die Autorin am vergangenen Donnerstag im Literaturhaus vorstellte, hätte sie ihre Ehe retten können, wenn sie ein Kind bekommen hätte. Doch dazu kann sie sich nicht entschließen. Und zudem fällt es der Frau, die vierzehn Sprachen spricht und als Übersetzerin arbeitet, auch noch schwer, ihre Gefühle in Worte zu fassen. So kommt es, glaubt sie, wie es kommen muss. Ihr Mann, den sie möglicherweise, so genau weiß sie es nicht, liebt, verlässt sie, weil eine andere ein Kind von ihm erwartet. Am selben Tag verlässt sie auch ihr Liebhaber, von dem sie sich, um einen klaren Schnitt in ihrem Leben zu machen, freilich ohnehin trennen wollte.
Doch Glück und Unglück ereignen sich im Leben der von gleich zwei Männern Verlassenen zur gleichen Zeit. Sie gewinnt im Lotto einen Haufen Geld und macht sich auf eine Reise auf der einzig nennenswerten Fernstraße Islands, der Ringstraße rund um die Insel, um einen geeigneten Platz für ein Sommerhaus zu finden. Der Gefährte der Kinderlosen ist ausgerechnet ein Kind, ein vierjähriger, zwergwüchsiger und fast gehörloser, stark sehbehinderter Junge.
Dies die Ausgangssituation in Auður Ava Ólafsdóttirs Roman, der wie ein Road Movie die oft skurrilen Erlebnisse der Erzählerin auf ihrer Reise in den fernen Osten Islands zum Haus ihrer Großeltern, in dem sie als Kind ihre Ferien verbracht hat, episodisch aneinander reiht. Und wie in jedem anständigen Road Movie ist die Frau, die auf ihrer Reise zu sich selbst versuchsweise mit drei Männern schläft, am Ende eine andere. Die beiden einander auf eine etwas unheimliche Weise ähnlichen Reisegefährten, der Taubstumme und die Frau, die ihre Gefühle nur körperlich kommunizieren kann, kommen sich schließlich nahe und entdecken eine gemeinsame Sprache. Im winterlichen Island schmelzen die vereisten Gefühle.

Wolfgang Sandfuchs (li.), Auður Ava Ólafsdóttir (Mi.), Elsa Diðriksdóttir (re.) Foto: Bressot-Carton
Der Abend im Literaturhaus erwies sich als eine vergnügliche Veranstaltung. Die Lektorin für isländische Sprache an der Kieler Universität Elsa Diðriksdóttir moderierte sie und übersetzte die Aussagen der Autorin, Literaturhausleiter Wolfgang Sandfuchs las die deutschen Passagen des Romans und Auður Ava Ólafsdóttir, die im Hauptberuf Kunstgeschichte an der Universität Reyjavík lehrt und deren Museum leitet, kommentierte ihn mit ebenso knappen wie ironisch eingefärbten Bemerkungen der Art „der Roman ist voller Hormone“. Mit einem Rezept für schlechten Kaffee aus dem dem Roman angefügten Rezeptbüchlein für auf der Reise verspeiste Gerichte sorgte sie zum Abschluss der Lesung für ihren heiteren Ausklang.
Schreibe einen Kommentar