Das Schleswig-Holsteinische Landestheater zeigt eine Bühnenversion von Thomas Manns Romanfragment „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“
Von Hannes Hansen
Schleswig. Vergänglichkeit, schreibt Thomas Mann drei Jahre vor seinem Tod in einem Essay, sei die Seele des Seins, sie gebe dem Leben Wert und Würde, weil sie Zeit schaffe. In der Inszenierung der Bühnenfassung des Mannschen Romanfragments „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ für das Schleswig-Holsteinische Landestheater, die am Sonntag im Schleswiger Slesvighus Premiere hatte, zitiert der Künstler Schimmelpreester die lebenssatte Altersweisheit des Zauberers gleich zweimal, zu Beginn und am Ende des Stücks. Regisseur Wolfram Appich begreift sie als Regieanweisung.

„Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“
nach Thomas Mann:
Manja Haueis, Simon Keel, Jürgen Böhm, Karin Winkler, Uwe Kramer (v.l.)
(Foto: Landestheater)
Wo Thomas Mann den müde gewordenen Felix Krull wehmütig von seinen Abenteuern, Betrügereien und Liebschaften erzählen und in der Rückschau noch einmal neue Lebenslust finden lässt, arbeitet die Inszenierung mit einem probaten Mittel, die Suche nach der verlorenen Zeit zu thematisieren: Sie stellt mit Jürgen Böhm den alt gewordenen, dabei gewitzten Felix Krull auf die Bühne, der mit Simon Keels ebenso elegantem wie manchmal strizzihaftem Krull junior in ständigem Zwie- und Streitgespräch interagiert.
Dem gleichen Zweck dient der schnelle Wechsel der Szenen in einem Pariser Hotel, einer Lissaboner Wohnung oder einem deutschen Rekrutierungsbüro. Mirjam Benkners kahle, mit einer floralen Jugendstiltapete ausgestattete Bühne, die an die Belle Époque erinnert, unterstützt mit drei Türen – Tür auf, einer geht. Tür zu, Tür auf, einer kommt – den Wechsel, als sei dieser „Felix Krull“ ein Mantel-und-Degenstück“ à la „Dame Kobold“.

„Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ nach Thomas Mann: Manja Haueis, Simon Keel, Uwe Kramer, Jürgen Böhm (v.l.)
(Foto: Landestheater)
Zudem agieren einige Beteiligte in mehreren Rollen. So ist Uwe Kramer nicht nur der skurrile Künstler und Ratgeber Schimmelpreester, sondern auch ein barscher Hotelier und ein pädophiler Geistlicher, darf sich Manja Haueis als schnippische Krull-Schwester Olympia ebenso wie als resolute Geliebte Zouzou bewähren und Karin Winkler gleich in vier Rollen als Erzieherin, zweifache Geliebte und Operettensoubrette brillieren. Stefan Wunder schließlich gibt mit viel Verve einen verzweifelten Marquis de Venosta, einen brüllenden Stabsarzt und einen hinterhältigen Hotelangestellten.
So unternimmt die Regie den nur teilweise gelungenen Versuch, dem Stück die Langeweile, die jeder Bühnenfassung eines epischen Textes droht, auszutreiben. Zu diesem Zweck übersetzt sie die feine Ironie der Wortgirlanden des Romans ins Grobianische. Wenn Uwe Kramer den Schimmelpreester als eine Mischung aus Angehörigem der Amish-Sekte und Charlie Chaplin gibt, wenn die erotischen Szenen ganz handfest ausgespielt werden und Karin Winkler als liebestolle Diane Houpflé in den höchsten Tönen kunstvoll kreischend die Erfüllung ihrer sadomasochistischen Wünsche einfordert, dann gehen bei aller Komik die schwebenden Zwischentöne des Textes zugunsten der manchmal klischeehaften Groteske verloren.
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