Ein ganz persönlicher Nachruf auf Hellmuth Karasek
Von Jörg Meyer
Erst Marcel Reich-Ranicki vor zwei Jahren, jetzt Hellmuth Karasek – das „Literarische Quartett“ und damit meine Idole des literarischen Feuilletons sterben aus. Das „Literarische Quartett“ war über rund 15 Jahre ein Teil meiner kulturjournalistischen Sozialisierung. Umso mehr trauere ich, dennoch begrüßend die Erben, die ab morgen – Ironie des Schicksals? – das Quartett und ergo das Format wie auch immer wiederbeleben werden: Volker Weidermann, Christine Westermann und Maxim Biller sowie – wie schon damals – jeweils ein Gast (zuerst Juli Zeh), wir sind gespannt … (ZDF, 2.10.2015, 23 Uhr)
Dass der Einäugige unter Blinden der König sei, ist sprichwörtlich. Hellmuth Karasek hat mir, dem auch Kritiker (in einer freilich viel kleineren Zeitung als dem „Spiegel“, in dessen „Hohlspiegel“, das sei vermerkt, ich mit Ausschnitten aus meinen Kritiken allerdings schon mehrfach landete), gerade dahin den Weg gewiesen. Denn ist nicht eben solches das Geschäft des Kritikers, wie ein Einarmiger im Second-Hand-Shop des gegenwärtigen Kulturschaffens zu winken? Diesen kalauernden Witz Karaseks verbreiten die Bewegt-Bild-Medien gerade in ihren Nachrufen, um zu zeigen, welchen Schalk er im Nacken hatte.
Und wo nun der weit mehr als Einarmige in den Second-Hand-Shop des Nirvanas eingegangen ist, möchte ich ebenso einarmig sein, die eine Schreibhand weiter erheben, vorrufen, Hellmuth Karasek zum Gedächtnis, seine Art des Feuilletons weiterzutragen gerade in Zeiten, in denen das unmodern scheint.
Hybris? Ja, vielleicht. Aber auch Versuch, Fäden weiter zu spinnen, die jemand wie er in mich und uns webte. Den Second-Hand-Shop immer erinnernd, einarmig, wie wir Nachschreiber und Nachfühler der Kultur alle sind – oder sein sollten.
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