Die Hamburger Newcomerin Miu und ihre Band begeisterten im fast ausverkauften Kulturforum

Von Jörg Meyer

Kiel. „Mirror, mirror on the wall“, befragt die Hamburgerin Miu ihr Spiegelbild im Song „Mirror“ vom Debüt-Album „Watercoloured Borderline“. Dass sie dabei ihre Vorbilder und Inspiratorinnen, keine Geringeren als Ella Fitzgerald, Lauryn Hill, Amy Winehouse und Adele, stimmlich recht gut widerspiegelt, bewies ihr Konzert mit sieben-köpfiger Band im fast ausverkauften Kulturforum.

Die Nacheiferinnen genannter Jazz- und Soul-Queens sind Legion, doch die junge Hamburgerin, die sich auf deren Spuren ihre Sporen in New York verdiente, bevor sie ihren Job in einer Werbeagentur an den Nagel hängte und den Schritt auch auf deutsche Bühnen wagte, löst solche lorbeerigen Vergleiche, mit denen die Presse ja schnell mal bei der schreibenden Hand ist, durchaus ein. Gerade auch in der Ballade „Mirror“, dem vielschichtigsten Song des Abends, bei dem sich Miu und ihre Band keine Pause gönnen, denn es gilt, die aufgebaute Spannung zu halten. Wie Miu in „Mirror“ und auch dem Titelsong ihres im September erschienenen Albums die Timbres zwischen schwarzem Soul, silbrig glänzendem Funk und ganz unschuldig blondem Girl-Pop wechselt, ist mehr als beachtlich. Ebenso, dass sie alle Songs selbst geschrieben hat und von eigenen Erfahrungen statt den üblichen Seelenmaskeraden singt – in Singer/Songwriter-Tradition wie zum Beispiel bei „Inner Williamsburg“, einem Lied auf den New Yorker Stadtteil, der seit jeher als Musik- und Talentschmiede gilt und wo sie ihre Erweckung zur (Nu-) Soul-Sängerin erlebte. Genauso zugleich süffig soulig wie in bester Rhythm’n’Blues-Manier los marschierend kommt das wildfangige „Bitter Soul & Blue-Eyed Heart“ daher.

Dass hier eine den Soul in seiner neuen Gangart NuSoul nicht nur mimt, sondern im Blut und vor allem auf den Stimmbändern hat, merkt man sofort, auch wenn die allzu agil musizierenden „sieben Zwerge“ ihrer Band dem „Schneewittchen“ klanglich den Rang ablaufen. Funky rocken Gitarre, E-Bass, Drums und Keyboard sowie die mit Saxofon, Trompete und Posaune höchst präsenten Bläser nicht nur in den fulminanten Soli und lassen die Feinheiten von Mius Stimme oft in der Klangverdichtung versinken. Könnte aber auch an der Abmischung im Kulturforum liegen, denn auf dem Studioalbum hört sich das deutlich differenzierter an.

Gleichwohl sind hier Begeisterte, um nicht zu sagen Beseelte am Werk, und denen verzeiht man solchen Übereifer als Sünde wie Tugend der Jugend. Und warum sollte nicht auch noch Reifungspotenzial bestehen bei einer so hoffnungsvollen Sängerin und ihrer Mannschaft? Dies ist jedenfalls schon mal ein sehr weiter erster Wurf, der im Publikum neben begeistertem Mitklatschen bei den Uptempos auch die Forderung nach zwei Zugaben auslöst. Selbstbespiegelung eingeschlossen im sanften „Miss Selfdestructive“, das hier höchst konstruktiv herüberkommt.