Das Tilsit-Theater gastierte mit dem Zauberstück „Eines Tages“ im Kieler KulturForum

Von Christoph Munk

Kiel. Ein Körper scheint unter einem Tuch frei in der Luft zu schweben. Vor einem Vorhang tanzt ein kurzer Mensch ohne Unterleib, aber mit höchst beweglichen Armen und Beinen. Tischtennisbälle fliegen bei einem hitzigen Match hin und her – zu sehen sind sie nicht, aber deutlich zu hören. So funktioniert es eben, das Spiel mit den Illusionen auf dem Theater.

Szene aus: "Eines Tages", Gastspiel des Tilsit-Theaters (Foto privat)

Szene aus „Eines Tages“, Gastspiel des Tilsit-Theaters (Foto: privat)

Aus der Tradition der Varieté-Künste macht das Tilsit-Theater aus Sovetsk mit seinem Stück „Eines Tages“ eine heitere, leichtgängige Mischung aus Pointen und Poesie. Ein Zauberstück, das keine Worte braucht und doch so viel erzählt. Bestens geeignet also für die Truppe aus Kiels Partnerstadt, die auf Einladung der Stadt und des Theaters „Die Komödianten“ an der Förde gastierte. Wo es keine Sprachbarrieren gibt, genießen die Zuschauer im prall gefüllten Kulturforum ihr kleines Vergnügen – darunter, begrüßt von Stadtpräsident Hans-Werner Tovar und einer Vertreterin des Russischen Generalkonsulats, auch eine gute Zahl von Asylanten und ihren einheimischen Betreuern.

Die Zuschauer waren von einer Stimme aus dem Off ohnehin ermahnt, nichts von dem Inhalt des Stücks oder den Intensionen des Regisseurs verstehen zu wollen. Es genügte völlig, so erwies es sich während der knappen Stunde, sich auf die komischen oder anrührenden Momente auf der Bühne einzulassen. Dort zeigten sich Anatolii Grabovenko – Erfinder, Regisseur und Darsteller der Szenenfolge – und seine vier wandlungsfähigen Kollegen als ausgelassene Clowns, Pantomimen, Zauberkünstler und Entertainer. Die Spaßmacher boten überraschende Einfälle und Nummern, wie man sie von den Pausenclowns im Zirkus kennt: kurz aufblitzend und schnell wieder vorbei. Und doch entstanden kurzweilige Geschichten, die sich direkt in Herz und Hirn einschlichen. Und als dann einer der Schauspieler die Qualitäten eines Stand Up Comedians offenbarte und das Publikum in ein Applaus-Orchester verwandelte, war die Harmonie zwischen Bühne und Saal vollkommen.

Nicht die Perfektion, sondern die augenzwinkernde Präsentation von Tricks und Täuschungen verleiht dieser Aufführung ihren eigenen Charme. Da stammt zwar viel aus dem Lehrbuch des Varieté-Handwerks, aber weil sich kurze Episoden und knackige Slapsticks mit Hintersinn und Poesie vermischen, entsteht aus Kleinteilen ein fast großes Ganzes. Dazu scheint ein gütiger Mond über der Bühne und hüllt das turbulente Geschehen in das milde Licht der theatralischen Magie.

Die Produktion „Eine Tages“ gehört in das ständige Repertoire des Tilsit-Theaters, das in jeder Saison rund ein dutzend Stücke bietet. Es sieht seine Aufgabe darin, die kulturelle Tradition der Stadt am Zusammenfluss von Tilse und Memel und an der Grenze zu Litauen fortzuführen. So erklärt Intendantin Nina Lemesch die Aufgaben ihres Hauses, das vor ein paar Monaten sein renoviertes Domizil bezogen hat und wesentlich von der Gebietsregierung, von der Oblast Kaliningrad also, finanziert wird. Der Austausch mit den Kieler Komödianten wird nun schon in der zweiten Runde praktiziert: Im Januar wollen auch die Kieler zum erneuten Gastspiel in die Partnerstadt Sovetsk reisen. „Diese Art der Kommunikation ist für unsere zukünftige Arbeit sehr wichtig“, betont Nina Lemesch, „denn wir sind an internationalen Kontakten sehr interessiert. Wir profitieren davon, dass wir über den eigenen Tellerrand schauen.“ Für Komödianten-Direktor Markus Dentler ist die Geste der Umarmung mit den Mitteln des Theaters ohnehin selbstverständlich, wie er in seiner Begrüßung im Kulturforum formulierte: „Verständigung zwischen den Völkern über die Grenzen hinweg funktioniert, besser als in der Politik, direkt von Mensch zu Mensch.“