Der schwedische Jazz-Pianist Jacob Karlzon im Kulturforum

Von Jörg Meyer

Kiel. Auf seinem neuesten Album ist Jacob Karlzon wie im Kulturforum the „One“ (Titel) and only: Ein Mann und 88 Tasten, die nicht komponiert geklappert, sondern improvisiert gekapert werden.

„On The Horizon“ heißt sein erstes Stück beziehungsreich. Über dem Horizont des Klavierkastens wird der Schwede, dem manche die Nachfolge des nur sechs Jahre älteren, aber bereits verstorbenen Landsmanns Esbjörn Svensson zusprechen, nur selten sichtbar. Meist vergräbt er sich in die Tasten, quirlt, perlt und vor allem grübelt auf ihnen. Oder macht sie ruchbar wie in „Fragranzia“, wo man nicht synästhetisch veranlagt sein muss, um das so schwerflüchtige wie flatterhafte Parfüm der Töne riechen zu können. Gerüche, so erzählt Karlzon, seien wie Musik Auslöser für Erinnerungen.

Und für „kreative Angst“, die man in ihm habe erregen wollen, als man ihn ohne jede Vorgabe ins Studio lockte, um frei über Ravels „Sonatine Modéré“ zu improvisieren. Da hat man den Gärtner zum Bock gemacht, der nun die Hörner wetzt gegen – und daher mit – dem Impressionisten. Karlzons Version hätte Ravel vermutlich geliebt, weil hier die improvisierte Abschweifung in eine impressive Invention à la Bach mündet.

Solcher An- und Abgang funktioniert auch bei Pop-Songs: Selten hat man Tears For Fears’ Hit „Mad World“ so innig und zudem ver-rückt gehört wie auf Karlzons eskapadischen Tasten. Aus der Ballade destilliert er einen energetischen Bass-Loop in der linken Hand, während die rechte so improvisiert, dass der Song wie neu erfunden scheint.

Nicht anders bei der Eigenkomposition mit dem treffenden Titel „A Thousand Conclusions“: Für jedes musikalische Rätsel hat Karlzon mindestens hundert Lösungen parat. Wohlgemerkt nicht Auflösungen, denn dass Themen wie U2’s „I Still Haven’t Found What I’m Looking For“ in kaum wiedererkenntlicher Gestalt wiedergängeln, gehört zu Karlzons impressionistisch-improvisatorischem Programm. Im Kulturforum erzeugt derlei nicht nur bei den Kundigen solcher Pop-Melodien Begeisterung.