Daniel Karasek löst mit Alan Ayckbourns Komödie noch vor der Premiere einen Boom aus
Von Christoph Munk
Kiel. Die Premiere soll morgen erst gefeiert werden, doch schon jetzt zeichnet sich eine Erfolgsstory ab, die selbst an Daniel Karaseks Kieler Schauspiel nicht alltäglich ist: Alan Ayckbourns Komödie „Schöne Bescherungen“ scheint beim Publikum so große Erwartungen an ein willkommenes Theatergeschenk auszulösen, dass die zehn Vorstellungen bis zum Jahreswechsel schon ausverkauft sind, bevor irgend jemand die Produktion gesehen und beurteilt hat. Und für die nächsten bis März 2016 geplanten Aufführungen stehen nur noch Restkarten zur Verfügung; auch die Tickets für die restlichen beiden Vorstellungen in dieser Saison dürften ebenso heiß begehrt sein.

In allen Theaterkünsten bestens bewandert: der Autor Alan Ayckbourn (Foto: Bethany Clarke/The Times)
Daniel Karasek, Generalintendant des Kieler Stadttheaters, weiß natürlich, auf was für ein Stück er sich da eingelassen hat. Sein Autor, der 1939 geborene Brite Alan Ayckbourn, zählt seit vielen Jahren zu den meistgespielten Dramatikern Europas. Er hat einst als Schauspieler begonnen, übernahm nach und nach so ziemlich alle Jobs hinter und vor den Bühnen, schrieb bald seine Stücke lieber selbst – inzwischen sind es über 70 –, arbeitete als Regisseur und war bis 2009 künstlerischer Leiter des Stephen Joseph Theatre im englischen Scarborough. Kurz, er beherrscht die ganze Kunst des Theatermachens.
Die Kontroversen, die die Stücke des Autors Ende der 1980er Jahre in Deutschland auslösten, kann Daniel Karasek getrost ignorieren. Damals löste die unter der Regie von Andrea Breth auf vier Stunden ausgedehnte Aufführung von „Schöne Bescherungen“ eine in den Feuilletons heftig geführte Debatte aus, ob Ayckbourns Stücke den intellektuellen Ansprüchen des subventionierten Staats- und Stadttheaterbetriebs genügten. Wen schert das heute noch? Ayckbourn-Stücke erfreuen sich an Bühnen aller Ausrichtungen größter Beliebtheit. In Kiel allerdings wurde der Autor nicht besonders intensiv gepflegt: Vor allem die Niederdeutsche Bühne kümmerte sich in den vergangenen zehn Jahren um die fabelhaften englischen Komödien: Dort durfte ich zwei Niederdeutsche Erstaufführungen inszenieren: „Schöne Bescherungen“ („Julklapp“, 2006) und „Sugar Daddy“ („Min söten Samariter“, 2008). 2014 folgte dann „Halve Wohrheiten“.
Auch Karasek weiß, was er an dem Bühnenautor hat: 1997/98 inszenierte er in Wiesbaden die deutschsprachige Erstaufführung von „Raucher/Nichtraucher“, nachdem er zwei Jahre zuvor am Hamburger Thalia Theater „Schöne Bescherungen“ auf die Bühne gebracht hatte. Der Regisseur nennt Ayckbourn einen „dramatischen Dickens“, denn er schildere präzis die Mittelschicht unserer Zeit. Und er interessiere sich für das „Komische hinter der Tragödie“ und vermeide es „Konflikte ins Destruktive abstürzen zu lassen“.
„Schöne Bescherung“ ist das Musterbeispiel für diese Erzähltechnik auf der Bühne. Denn dort trifft sich zur Weihnachtszeit die typische Familienbande, in deren Zentrum Belinda agiert, die in Kiel von einem bekannten Gast gespielt wird: Katharina Abt, bisher hier vor allem in Musicals aktiv. Zusammen mit ihrem Ehemann Neville hat sie Freunde und Verwandte zum Fest eingeladen: eine altjüngferliche Schwester, einen erschreckend martialischen Onkel, einen mit einem Puppenspiel dilettierenden Schwager, dessen chaotisch beschwipste Frau, einen eher weichlichen Geschäftspartner samt seiner gebärfreudigen Gattin. Sympathien und Aversionen halten das Zusammenleben in äußerst labiler Balance, doch dann taucht ein Überraschungsgast auf und löst eine Eskalation aus. Allerdings kommt es zu einem Ende ohne Schrecken, vielmehr läuft alles auf bedrückende und damit eben komische Weise auf eine Rückkehr in den Alltag hinaus. Doch das Vergnügen der Zuschauer im Kieler Schauspiel bleibt davon ungetrübt – sofern sie sich eine Eintrittskarte sichern konnten.
Info und Karten: www.theater-kiel.de.
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