„Schöne Bescherungen“ im Kieler Schauspiel: Daniel Karaseks Inszenierung garantiert ungetrübtes Amüsement
Von Christoph Munk
Kiel. Es ist ja alles nochmal gut gegangen. So richtig tot ist Clive, der am frühen Morgen erschossene Gast, dann doch nicht. Rachel und Bernard bringen ihn ins Krankenhaus. Die anderen sind wieder schlafen gegangen. Nur die Gastgeber sind wach geblieben. Belinda macht sich Sorgen um Clive. „Er wird’s schon schaffen“, sagt Neville nebenbei und bastelt schon wieder an einem Gerät rum. „Ja, er hat Rachel“, bestätigt Belinda und verschweigt vielsagend, was ihr geblieben ist: die Rückkehr in den tristen Alltag einer gleichgültigen Ehe.

Tot oder nicht tot? Szene mit (v. li.) Katharina Abt, Felix Zimmer, Agnes Richter und Imanuel Humm. (Foto: Struck)
Trübe Aussichten also nach einem Familientreffen im erträumten Glanz eines Weihnachtsfestes und dem erhofften Schwung eines mit Streitereien gepfefferten Lustspiels. So sind sie eben, die Komödien des englischen Erfolgsautors Alan Ayckbourn: heimlich versteckte Tragik, hinterlistig bissig. Doch das lässt sich beheben. Denn Generalintendant Daniel Karasek vereint in seiner Inszenierung von „Schöne Bescherungen“ im Kieler Schauspiel die Gegensätze zu einem sinnigen Moderato. Alles ist ordentlich: Norbert Ziermanns geräumige Diele mit praktischer Raumaufteilung, nüchtern glatten Flächen, klaren Kanten und im Hintergrund einem grandiosen Ausblick auf die englischen Rockys. Ebenso gefällig und dekorativ Claudia Spielmanns Kostüme. Alles so gut herausgeputzt wie in öffentlich-rechtlichen TV-Vorabendserien.
Kein Grund zur Beunruhigung also. Zumal Karasek die Rollen erwartungsgemäß besetzt hat. Imanuel Humm spielt seinen Part als familienfauler Neville völlig unbeteiligt herunter; Marius Borghoff tölpelt daneben als sein gemütlicher Weichei-Kumpel; Jessica Ohl schiebt deutlich den Frust der genervten Mutter; Felix Zimmer steht als pseudo-faszinierender Schriftsteller Clive permanent neben sich und seinen Gefühlen; Ellen Dorn zelebriert hingegen fulminant ihren alkoholbeschwingten Auftritt nach knapp überstandener Küchenschlacht; Zacharias Preen markiert mit kräftigen Tönen den Sicherheitsfanatiker und Waffennarr, während Christian Kämpfer seinem Antipoden, dem als Puppenspieler und Arzt versagenden Bernard, interessante Nuancen abgewinnt. Und Agnes Richter zeigt eine mit sich und dem Leben glücklose Rachel und beweist damit, was jenseits von Klischee und Karikatur möglich ist.

Zu allem bereit unterm Weihnachtsbaum: Belinda (Katharina Abt) und Clive (Felix Zimmer). (Foto: Struck)
Im Mittelpunkt aber Belinda, gefestigte Betriebsnudel und erotisch unterforderte Ehefrau, verkörpert von Katharina Abt als gut im Ensemble eingebetteter Stargast. Sie bringt strahlende Präsenz auf die Bühne, stets patent bei der Sache, immer adrett, allzeit bereit bis zur plötzlich aufwallenden Hingabe zur nächtlichen Stunde. Doch irgendwie prallen an dieser imprägnierten Nettigkeit alle Störungen ab.
So erscheint Katharina Abt als die perfekte Botschafterin von Karaseks Inszenierungskonzept. Nie erscheint sie wirklich unter Druck oder gar in Nöten: Ihr Spiel ist von angenehmen Stimmungen geprägt, unberührt von Trubel oder gar dem gesteigerten Wahnsinn eines aus den Fugen geratenen Familienfestes. So garantiert sie mitsamt der liebenswerten Versammlung schrulliger Typen um sie herum die Atmosphäre entspannter Unterhaltung. Bekanntlich haben sich die Begehrlichkeiten für „Schöne Bescherungen“ schon erledigt, will sagen: Für die bis jetzt geplanten Vorstellungen sind kaum noch Tickets zu haben. Wer eins besitzt, darf sich auf zweieinhalb Stunden weitgehend ungetrübten, allenfalls sanft ironisch gebrochenen Amüsements freuen: Wellness pur im Kieler Schauspielhaus.
Info: www.theater-kiel.de.
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