Das Schleswig-Holsteinische Landestheater präsentiert ein „Hormonical“
Von Hannes Hansen
Schleswig. Altwerden, sagt Blacky Fuchsberger, sei scheiße. Dem Statement von Deutschlands Fernsehliebling dürften die vier Damen, die auf der Bühne des Schleswig-Holsteinischen Landestheaters „Heiße Zeiten – Wechseljahre“ durchleiden, aus vollem Herzen zustimmen.
Bei der Premiere des „musikalischen Hormonicals“ von Tilmann von Blomberg und Bärbel Arenz am vergangeneen Sonntag im voll besetzten Schleswiger Slesvighus ließen sie es unter der Regie von Eva Hosemann zwar krachen, aber wirklich zünden konnte die musikalische Bühnenshow nicht.

Lisa Karlström, Ingeborg Losch, Karin Winkler, Heidi Züger und die Airport-Showband: Dietrich Bartsch, Gerd Bauder, Jonas vom Orde, Dawid Zurawski
(Fotos: HM)
Die Story der Nummernrevue ist schnell erzählt: Auf einem Flughafen – von Lucia Becker als kühl schwarzweißes Ambiente im Bauhausstil ansprechend gestaltet – treffen sich vier Damen zwischen zweiundvierzig und siebenundfünfzig. Jede von ihnen ist von den Schuhen über die Strümpfe bis zum Kleid und allerlei Accessoires wie hastig befingerten Tablets und Smartphones farblich einheitlich durchgestylt und so wird schon äußerlich klar, dass wir hier im Klischee gelandet sind. Die Damen sind alle Typen: Die in vornehmes Blau gewandete reiche Dame gibt Ingeborg Losch mit hochfahrender zickiger Arroganz, und Karin Winklers Karrierefrau lässt mit der Signalfarbe Rot erkennen, dass hier ein angejahrter, aber brandheißer Feger agiert, der nicht begreift, dass es mit der Liebe, der „grohohoßen“ nichts wird, wenn die Martins und Didis, die Eddys und Dietrichs in ihrem Leben nur Verbrauchsmaterial sind. Heidi Zügers giftgrüne Hausfrau dagegen ist ein Typ aus den Modeheften der fünfziger Jahre, eine Mischung aus Clementine und Ulknudel. Lisa Karlströms schließlich verströmt als „Junge“ meist ebenso depressiven wie mädchenhaften Reiz, wenn sie nicht – als einzige – aus ihrer typisierten Rolle fällt und einen wunderschönen Wutausbruch hinlegt, dass die Wände wackeln, oder energiegeladen wie ein munterer Teenager über die Bühne hüpft. Ein Lichtblick in einer ansonsten derart voraussehbaren Szenenfolge, dass man schon vorher weiß, welches müde Scherzchen als nächstes kommt. Immerhin, ab und zu gibt es Überraschungen, und man freut sich schon, wenn man Sprüche wie „Der Mann der nett ist und gut im Bett ist … die meisten sind mit weniger zufrieden“ serviert bekommt.
Die vier Damen streiten sich, albern herum und lästern über Männer und Familie. Vor allem aber besingen sie ihre Beschwerden mit dem Älterwerden mit, um einmal Heinrich Heine zu zitieren, „wahrem Gefühle und falscher Stimme“. Einzig Karin Winkler sorgt als Rockröhre zu der angenehm akzentuierenden „Airport-Showband“ des Theaters für wenigstens einige passable Songs. Meist aber fragt man sich, was die Damen der Regisseurin angetan haben, damit diese sie zum Singen zwingt. Um das Maß des Ärgerlichen voll zu machen, warten die von Bärbel Arenz umgetexteten Welthits „Downtown“, „Pretty Woman“ oder „Fever“ mit lyrischen Kostbarkeiten wie „Der Zahn der Zeit verstärkt die Einsamkeit“ auf, und versichert die „Vornehme“: „Normalerweise trage ich meine Windeln über dem Chanel-Kostüm“. Auch das noch.
Bei solch sprachlichem und gesanglichem Niveau helfen dann auch die überdrehten Gelenkigkeitsübungen der Damen der Show nicht recht auf die Sprünge, in der allein Lisa Karlström mit variabel zwischen depressiver Haltung und zornigem Aufbegehren wechselnden Stimmungen für mehr als Routine sorgt. Und da am Ende alles in kitschigem Wohlgefühl endet, ist die Chance endgültig vertan, Tucholskys böser Einschätzung, das Wort Familienbande klinge nach Wahrheit, adäquate Bühnengestalt zu verleihen.
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