Das Projekt Alte Mu zelebrierte ein Benefiz Festival und muss um seine Zukunft fürchten
Von Christoph Munk
Kiel. Auf dem Gelände und in den Gebäuden der Muthesius Kunsthochschule am Kieler Lorentzendamm muss jahrelang eine gute Saat ausgebracht worden sein. Denn dort wächst gegenwärtig ein üppig wucherndes Quartier für kreative Aktivitäten, das voller Ideen und Initiativen steckt: das Alte Mu Impuls-Werk. Wer’s bisher noch nicht realisiert hatte, konnte beim Winter Benefiz Festival mit allen Sinnen wahrnehmen, was sich dort inzwischen entwickelt hat und was verloren geht, wenn das Domizil dort nicht weiter existieren darf.
Schon nachmittags, als das Fest erst langsam in Gang kam, bildete sich am Eingang eine lange Menschenschlange. Fünf Euro als Eintrittsgeld auf den Tisch oder mehr als Spende – das war hier die Frage. Viele entscheiden jung und zukunftsorientiert: Lieber einen Rest reservieren für Einsätze an der Tombola, für Einkäufe oder Verzehr. Denn das Angebot ist vielfältig, verlockend, aber längst nicht so gleichförmig auf Konsum ausgerichtet wie auf Weihnachtsmärkten mit dem bekannten Schnickschnack.
Getränke gibt es genug. Allerlei Kaffeesorten, wie immer, aber saisongerecht auch Glühwein, in stilvoller Hütte selbst gekocht, versteht sich. Und unter den Bieren das in Kiel gebraute Lille, die Alternative zu üblichen Industrieprodukten. Nicht nur die Mensa lockt mit selbstgemachten Köstlichkeiten, woanders werden mexikanische Spezialitäten angeboten, selbstverständlich ist die Grillprinzessin aktiv, es gibt Stockbrot und Produkte aus der Waffelbäckerei. Eine gute Basis für ein langes Fest, das mit Fahrradkino, Impro-Theater, Poetry Slam und viel Musik in eine lange Nacht feiert.
Mit Hand, Herz und Hirn gestalten statt bloß zu konsumieren – das ist die Devise, die den Adventsmarkt so gut wie die Präsentation der zahlreichen hier angesiedelten Projekte bestimmt. Darin spiegelt sich das Konzept der Alten Mu. Sie will ein Dach bieten für Werkstätten, Vereine, Startups, Kunstprojekte, soziale und nachhaltige Initiativen oder Denkschmieden bieten. Seit die Muthesius Kunsthochschule das Areal am Lorentzendamm verlies, haben sich viele ideenreiche Aktivisten dort angesiedelt. Ein großer Teil von ihnen Absolventen oder Studenten der Akademie, die eine Chance suchen, dem üblichen und immer wieder beklagten Trend der Abwanderung kreativer Kräfte aus Schleswig-Holstein entgegen zu wirken.

Großes Interesse für die Vision „ALTE MU – Impuls Werk“ auf einem phantasievoll neu gestalteten Areal. (Foto: Munk)
Doch dem Traumprojekt droht ein baldiges Erwachen. Denn Ende des Jahres läuft die Muthesius-Trägerschaft für Gebäude und Gelände aus. Und es ist offen, wie das Land als Eigentümer der Fläche, einem Sahnestück zwischen Innenstadt und Förde, die Nutzung neu regelt. Interessenten gibt es genug, und auch an Ideen mangelt es nicht. So sucht das ebenfalls an Innovationen orientierte Projekt „zukunftsmacher.sh“ ein zentrales Haus und findet auch die Vision des Vereins „ALTE MU Impuls – Werk e.V.“ interessant. Der denkt seinerseits daran, über eine Genossenschaft, an der sich jeder Bürger beteiligen kann, die künftige Finanzierung zu sichern.
Auf Seiten der Landesregierung zeigt sich Wissenschafts-Staatssekretär Rolf Fischer, ein echtes Kieler SPD-Gewächs, als Anhänger der Alten Mu. Laut KN-Bericht kann er sich mit ihr einen Mix zwischen Wissenschaft, Kunst und kreativer Ökonomie gut vorstellen: „Eine Universitätsstadt braucht ein solches attraktives Umfeld für Ideen, junge Kreative und Unternehmensgründer.“ Fischer verspricht sich davon einen „tollen Impuls“ für die Stadt und kündigt an, „das Land wird jeden realisierbaren Vorschlag unterstützen“.
Die Stadt Kiel jedoch, für die Bauplanung in diesem Gebiet zuständig, verhandelt mit dem Land über die Zukunft der Liegenschaft, verfolgt jedoch gegenwärtig offensichtlich andere Absichten. Sie sucht aktuell geeignete Räume für die Unterrichtsräume des Regionalen Berufsbildungszentrums I während dessen Umbau und hat ein Auge auch auf die Bauten am Lorentzendamm geworfen. Und die Stadtverwaltung ist momentan an einen einstimmigen Beschluss des Bauausschusses der Ratsversammlung vom 1. Oktober 2015 gebunden. Dort wurde der Bebauungsplan Nr. 1011 für das Gebiet beschlossen, in dem „die Förderung und Schaffung innerstädtischer Wohnformen“ als wesentliches Ziel formuliert ist. Der Bereich „Alte Muthesius Kunsthochschule“ eigne sich „im besonderen Maße zur Umsetzung dieser Zielsetzung“. Zu welchen Ergebnissen das führen kann, lässt sich in unmittelbarer Umgebung besichtigen: Auf dem erschreckend eng bebauten Grundstück „Alte Feuerwache“ oder in der luftig gestalteten Häuserreihe am Lorentzendamm, wo immer noch Käufer für Komfortwohnungen in den Terrassenbauten gesucht werden.
Aber vielleicht weicht Oberbürgermeister Ulf Kämpfer von diesen Interessen ab und unterbreitet der Selbstverwaltung demnächst andere Vorschläge. Sein Besuch beim Alte Mu Benefiz Festival könnte möglicherweise in diesem Sinne eine nachhaltige Wirkung zeigen.
8. Dezember 2015 um 13:08
Beschlossen wurde noch gar nichts. Es liegt lediglich eine Beschlussvorlage vor. Auch wird wie jede andere noch eine Auslage geben. Zudem verhandelt die Stadt nicht mit dem Land. Denn die Stadt ist nicht Eigentümer und kauft auch nicht. Was OB Ulf Kämpfer sagt ist nicht von großer Bedeutung, denn es wird im Rat entschieden. Ein Ratsbeschluss gibt es nicht zum B-Plan – also alles noch offen… Zudem werden B-Pläne eh gebrochen und haben wenig Handhabe. Wenn, dann verkauft das Land direkt an einem Investor – dabei sind die Wünsche der Stadt zweitrangig.