Dieter Thomas Kuhn begeisterte rund 3000 „Blumenkinder“ in der Sparkassen-Arena
Von Jörg Meyer
Kiel. „Schon viele Journalisten, Soziologen, Kulturwissenschaftler und Philosophen haben versucht, sich dem Phänomen Dieter Thomas Kuhn zu nähern – was ihnen regelmäßig nicht gelingt“, heißt es im Presse-Info zur „Noch mehr Liebe“-Tour des wohl erfolgreichsten Vertreters des Schlager-Revivals. In der Sparkassen-Arena begeisterten DTK und seine sieben-köpfige Band am Sonnabend rund 3000 Zuhörer. Hier ein weiterer Versuch der Annäherung an „das Phänomen“.
Wäre man böse, könnte man das bunt gekleidete Völkchen, das sich in die Arena drängt, als „blumenkindisch wild gewordene Kleinbürger“ bezeichnen. Wer noch nicht das richtige Outfit mit 70er-Sonnenbrillen, Sonnenblumen und Gänseblümchen hat, stattet sich am Merchandising-Stand damit aus – auch mit dem am Freitag erschienenen neuen DTK-Live-Album „Im Auftrag der Liebe“.
Das passende Outfit haben auch Kuhn und seine Kapelle: Föhnwellen, „Vokuhilas“, Glitter-Anzüge, DTK „ganz in weiß“ mit silbernen Strass-Sternchen und natürlich seinem Markenzeichen, dem Brusthaar-Toupet. Könnte eine wie einst, als er den verkrusteten Schlager aufmischte, Show werden. Allein, der Schlager wird hier aufs Mitschunkeln heruntergebrochen, auf bloße Tanznummern im vermeintlich zeitgemäß rockigen Uptempo.
Mitgesungen wird eh alles, das Publikum kennt seine „Volkslieder“. Manchmal minutenlang, Kuhn muss gar nicht mehr selbst singen. Wohl das ist Schlager heute, eine bloße Schunkel-Party, ein Rhythmus, bei dem, weil so einfach und vorhersehbar, jeder mit muss. Von umso traurigerer Gestalt ist das, wenn DTK nicht nur Musikstadl-Nummern wie Roy Blacks „Schön ist es, auf der Welt zu sein“ covert und die Kapelle dazu auf Jahrmarktsniveau musiziert, sondern auch Udo-Jürgens-Klassiker wie „Griechischer Wein“ durch den Party-Wolf dreht. Dass „uns Udos“ Schlager nah am Chanson waren, geht dabei komplett unter. „Griechenland geht es wieder gut, wir freuen uns auf den nächsten Jahrgang griechischen Weins“, meint DTK nicht ohne Naivität in der Anmoderation.
Aber so einfach ist es eben nicht mit der schwierigen Gattung Schlager, da helfen auch keine Einlassungen zur vor dem Konzert reichlich genossenen „Ramazotti-Bowle“ und dass „dies der erotischste Abend des Jahres“ sei. Erotische Tête-à-Têtes mit ihrem Idol wagen dennoch einige Frauen aus dem Publikum. Wann kann frau ihm schon mal so nahe sein? Und dem Schlager so fern wie bei dem gänzlich vergeigten „Das Model“ von Kraftwerk? Letztere hatten ja „eine neue Volksmusik“ auf der elektronischen Agenda, doch das scheint DTK nicht zu wissen.
Es gibt aber auch Lieder, die zu gut sind, als dass Kuhn ihnen etwas anhaben könnte. Karats „Über sieben Brücken musst du geh’n“ gerät so zu einer der seltenen Sternminuten im auch pyrotechnisch knalligen Schlagerzirkus, genauso Reinhard Meys „Über den Wolken“.
Am Schluss vor den diversen Zugaben und anschließender „Mega 70er Schlager-Party“ steht Howard Carpendales „Fremde oder Freunde“ in nach all den auf drei Minuten gekürzten Schlagern geradezu sinfonischer Länge. Doch man fragt sich, ob man hier zum Fremden oder Freund des deutschen Schlagers wurde.
Der Schlager und seine Revivals
„Schlager“ ist ein (nicht nur musikwissenschaftlich) schwer fasslicher Begriff. Wikipedia versucht dennoch eine Definition: „Leicht eingängige instrumentalbegleitete Gesangsstücke der Pop-Musik mit weniger anspruchsvollen, oftmals auch sentimentalen Texten.“ Kennzeichen des Schlagers seien laut Microsoft Encarta zudem „einfachste musikalische Strukturen und triviale Texte, die an das Harmonie- und Glücksverlangen des Zuhörers appellieren.“ Als „Trash“, also ironisch gewendet, feierte der Schlager in den 90er Jahren mit Sängern wie Dieter Thomas Kuhn und Guildo Horn ein Revival. Das ist nun auch schon wieder über 20 Jahre her, und das Revival vom Revival bestätigt mehr als seinerzeit die Definitionsversuche von Enzyklopädien.
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