Bergmans „Szenen einer Ehe“ feierte als Tragikomödie Premiere am Kieler Theater Die Komödianten

Von Jörg Meyer

Kiel. „Männer und Frauen passen einfach nicht zueinander“, wusste schon Loriot und nahm den ewigen Konflikt zwischen den Geschlechtern damit von seiner komischen Seite. Genauso gewinnt Christian Lugerths Inszenierung von Ingmar Bergmans Kammerspiel am Kieler Theater Die Komödianten den „Szenen einer Ehe“ manche komische Seite ab. Denn wenn Mann und Frau die zwei unvereinbaren Seiten der selben Medaille namens Mensch sind, ist auch die Tragödie die bessere Hälfte der Komödie.

Und noch ein anderer Vergleich drängt sich auf, wo Marianne und Johan ihre Ehe zu Grabe tragen, auf dem zum nicht hoffnungslosen Schluss dann doch etwas wie Liebe als zartes Mauerblümchen keimt. Das Sterben einer Ehe läuft in den gleichen Phasen ab wie das Sterben eines Menschen: vom Nicht-wahrhaben-Wollen über Wut, Verhandeln und Depression schließlich zur Akzeptanz. Genauer: zu der existenzialistischen Erkenntnis, dass jeder Mensch immer einsam war, ist und bleibt. Solche Deutung hat man Bergmans Film und auch der hier gespielten Theaterfassung für zwei Personen zutreffend untergeschoben. Lugerths Inszenierung folgt ihr darin konventionell, aber was soll man machen, es ist halt eine der Tragödien des Menschseins und Menschenwehs.

Finden im Spiel zueinander: Antje Otterson und Ivan Dentler in einer Probeszene. (Foto eis)

Finden erst auseinander vorsichtig zueinander – Marianne (Antje Otterson) und Johan (Ivan Dentler). (Foto: Thomas Eisenkrätzer)

Entsprechend holzschnittartig oder auch „typisch“ hat Bergman sein Paar angelegt, denn es ist mehr „pars pro toto“ als individuell, steht geradezu für eine „conditio humana“. Auch davon weichen Lugerth und seine DarstellerInnen kaum ab. Das Paar, das Antje Otterson und Ivan Dentler geben, ist verwechsel- und austauschbar, denn sie zeigen die „Szenen einer Ehe“, wie sie voller Weh wenn nicht immer gleich, so doch sehr ähnlich ablaufen. Für die in solchen Liebesdingen nicht unerfahrenen Zuschauer ist das anti-illusionistisch bis desillusionierend, sie leiden nicht, sondern erkennen mit. Dass das umso quälender ist als ein Theater-Affekt wie Mitleid, scheint beabsichtigt – und bildet die Stärke der bewusst gefühlsarmen Inszenierung, die sich darin eng an Bergmans filmische Umsetzung hält, obwohl Lugerth letztere nach eigener Auskunft (vgl. unseren Probenbericht) nur teilweise rezipiert hat.

Da wir alle (oder zumindest die meisten) das Gefühlschaos bei einer Trennung und ihre oben genannten Phasen schon einmal „idealtypisch“ erlebt und durchlitten haben, brauchen die DarstellerInnen es gar nicht auszuspielen, symbolhafte Zeichen genügen wie schon in der Eingangsszene. Da halten Marianne und Johan noch Händchen vor dem Altar ihrer gemeinsamen Erinnerungen. Aber bereits in einem so großen körperlichen Abstand zueinander, dass sie schon in der ehemals Vereinigung getrennt erscheinen. Ein starkes Bild für den Prolog. In ihren folgenden Wortgefechten sitzen sie an den jeweils äußersten Bühnenrändern, und wir folgen dem einen Wort, welches das andere gibt, wie beim Tennis. Sogar der doch nochmal vollzogene Beischlaf ist treffend rein mechanisch gespielt.

Und dadurch komisch – die zweite Stärke der Inszenierung. Immer wieder gibt es Momente, in denen das Ballett des Stühlerückens an Tisch und Bett und also zwischen Nähe und Distanz zum Slapstick gerät. Auch den Gewaltausbruch gegen Ende mimen Otterson und Dentler im schemenhaften Halbdunkel als comic-hafte Ehe-Gymnastik, bei der man die „Blams!“ und „Zacks!“ mitimaginiert. Anders gesagt: die Komik wird hier eigentümlich tragisch statt umgekehrt.

Solches Spiel leuchtet ein, bricht es doch das große Liebes(weh)ding auf seine erbarmungswürdige Erbärmlichkeit herunter, deren (komische) Schau solche wiederum erträglich macht. Denn wer herzlich lacht, muss nicht bitterlich weinen über die an sich Lächerlichkeit, an der wir uns wie Marianne und Johan immer und immer wieder abarbeiten. Nicht minder zeichenhaft flammen – bezeichnenderweise in „Falschfarben“ – die Fotos von (vermeintlich) besseren Tagen dieser scheiternden Ehe auf der Projektionsfläche (sic!) in der Mitte der von Bruno M. A. Giurini gestalteten Bühne auf. An der „Leerstelle“, wo sich die beiden nur noch selten aufhalten, meist agieren sie an den Rändern.

Gleichwohl – und das ist das abschließende Wunder dieser Inszenierung: Am Ende all solcher subkutanen, bewusst nicht ausgespielten Szenen, wenn das Scheitern komplett ist, steht das Paar sich vorsichtig umarmend wie in einem filmischen „Still“ da. Die ewige Schleife zwischen Annäherung und Trennung ist durchbrochen. Und jetzt erst, nach all dem zwei-einsamen Weh kann wirkliche Liebe sein.

Infos, weitere Termine und Karten: www.komoediantentheater.de