Das Schauspielhaus Kiel zeigt im Studio Henning Mankells „Butterfly Blues“

Von Hannes Hansen

Kiel. Als die Gefahr der Entdeckung droht, schmeißen zwei brutale Schlepper die Elendsflüchtlinge Ana und Sara kurzerhand über Bord ihres morschen Kahns. Mühsam retten sich die beiden Afrikanerinnen an die spanische Küste und werden sogleich von einem entnervten Untersuchungsbeamten drangsaliert und gedemütigt, der ihren Anspruch auf Asyl überprüfen muss und dem sie als Beweis für ihre Herkunft und Identität nur einen toten Schmetterling vorweisen können.

Agnes Richter (li.), Jennifer Böhm (re.) Foto. Theater Kiel

Agnes Richter (li.), Jennifer Böhm (re.)
(Foto: Theater Kiel)

Dies ist die Ausgangssituation von Henning Mankells aus dem Jahre 2003 stammendem  Drama „Butterfly Blues“, das am Sonntag im Studio des Schauspielhauses Kiel Premiere feierte. Der Regisseurin Kristin Trosits hat Marie Rosenbusch einen Käfig aus Maschendraht auf die Bühne gestellt, den ein flächendeckendes, containerartiges Stahlgerüst in eine von Kisten mit den Reichtümern der Ersten Welt verstellte Ober- und in eine als Schiffsbauch, als Versteck oder geheimer Fluchtweg dienende Unterwelt teilt.

Oben verkörpern Marius Borghoff und Rudi Hindenburg eine Vielzahl von Charakteren. Beeindruckend, wie sie die Rollen blitzschnell wechseln, die beiden Frauen bei Bedarf zu sich hinauf zerren oder locken, sie als brutaler Schlepper und schmieriger Showagent, der aus dem Elend der exotischen Flüchtlinge Kapital schlagen will, ausnützen, wie sie als gemütlicher LKW-Fahrer, sanfter Helfer oder hinterlistiger Schmeichler agieren.

Unten im Labyrinth ... (Foto: Theater Kiel)

Unten im Labyrinth … (Foto: Theater Kiel)

Unten lässt die Regisseurin die Schauspielerinnen Jennifer Böhm (Ana) und Agnes Richter (Sara und Anas Mutter) durch das Labyrinth des Stahlgerüstes auf ihrer Flucht durch Europa kriechen, lässt sie sich verzweifelt zusammenkauern, hoffnungslos wimmern, trotzig aufbegehren, eisernen Überlebenswillen zeigen, sich gegenseitig aufrichten und bei allem Elend ihre ständig bedrohte Würde wahren.

So entsteht eine Bühnensituation, in der Autor und Regisseurin einzelne Stationen der Flucht der beiden Heldinnen, die trotz immer wieder ausbrechender Streitereien untereinander eine anrührende Solidarität zeigen, blitzartig von allen Seiten beleuchten. Eine Situation, deren Relevanz für die Beurteilung der heutigen Flüchtlingskrise auf der Hand liegt.

Agnes Richter, Jennifer Böhm. Foto: Theater Kiel

Agnes Richter, Jennifer Böhm.
(Foto: Theater Kiel)

Das Problem dieses Stücks sind dabei weder Kristin Trosits’ Inszenierung noch die schauspielerischen Leistungen. Sie sind tadellos und bildkräftig. Auch die zwischen plakativer Typisierung und differenzierter Charakterdarstellung recht geschickt wechselnde Personenzeichnung überzeugt durchaus. Doch wer die beeindruckenden Berichte und Erzählungen von Asylsuchenden über ihren Leidensweg im Fernsehen gesehen hat, wird Henning Mankells „Butterfly Blues“ eine gewisse dramaturgische Ungelenkheit attestieren müssen, die dem hohen moralischen Anspruch des Stücks nicht gerecht wird. So bleibt etwa die den Namen des Stücks abgebende Metapher vom toten Schmetterling blass und leidet – schlimmer noch – der Text an einer gewollt wirkenden Poetisierung. Eine weit hergeholte Parabel von einem Mann, der den Zustand der Welt mit dem Bild eines verstopften Salzstreuers erklären will, bewirkt eigentlich nur verständnisloses Kopfschütteln.

Infos und Karten: www.theater-kiel.de