Die Konzertreihe Neue Musik Eckernförde feierte ihr 15. Jubiläum mit einem Geprächskonzert in der St. Nicolai-Kirche

Von Jörg Meyer

Eckernförde. In der Musik ist es wie in der Gesellschaft: Neue Impulse und Innovationen kommen eher von den Rändern als aus den Mitten der Mainstreams. Das wussten auch der Komponist Gerald Eckert und die Flötistin Beatrix Wagner, als sie vor 15 Jahren die Konzertreihe mit Neuer Musik nicht etwa in einer großen Musik-Metropole, sondern im „dezentralen“ Eckernförde starteten. Seither ist die Stadt im hohen Norden ein „Hot Spot“ auf der Landkarte der internationalen Neue-Musik-Szene, und die Konzertreihe hat einem treuen Stammpublikum die Ohren für die zu Unrecht als „kompliziert und schwer verständlich“ geltende Neue Musik geöffnet.

Bringen seit 15 Jahren Neue Musik nach Eckernförde: der Komponist Gerald Eckert und die Flötistin Beatrix Wagner. (Foto: Meyer)

Bringen seit 15 Jahren Neue Musik nach Eckernförde: der Komponist Gerald Eckert und die Flötistin Beatrix Wagner. (Foto: Meyer)

Zum Jubiläum, das am Freitag in der St. Nicolai-Kirche mit einem Gesprächskonzert gefeiert wurde, präsentierte das Ensemble reflexion K gleich drei neue CDs mit Werken von Gerald Eckert, Nicolaus A. Huber und Peter Gahn, die bereits in der Konzertreihe zu hören waren und in Zusammenarbeit mit dem Deutschlandfunk zum Teil in der St. Nicolai-Kirche aufgenommen wurden. Exemplarisch zeigen diese Werke, wie die jüngste Neue Musik von den Rändern des Klangs her neue Hörräume eröffnet.

Der Kölner Komponist Robert HP Platz nimmt solche Raumöffnung wörtlich, indem in seinem „dense/Echo I“ die Musiker nicht von der Bühne her, sondern im Kirchenraum verteilt spielen. So umschwirren den Zuhörer die meist zarten Klänge und schaffen an seinem jeweiligen Sitzplatz eine ganz individuelle Hörsituation. Das Werk entsteht also zwischen allen Ohrenpaaren neu – und jeweils anders.

Genauso bei „leggiero mit Weißglut“ von Nicolaus A. Huber, der in seinem Werkkommentar solche Hörerfahrung explizit benennt: „Alles entsteht im Hörer, auch wir haben unsere Mikrowelten!“ Hubers Schüler Peter Gahn spannt entsprechend „Diagonalen in kubischen Räumen“. Seine dreiteilige Komposition wird hier simultan von drei Instrumentengruppen gespielt, deren Klang-Mikrokosmen anfangs unverbunden scheinen, sich dann aber zu einem gemeinsamen Energiezustand, einer Art „Akkord“, zusammenfinden. Gahn ist inspiriert vom Zen und japanischer Kampfkunst, in denen ebenfalls disparate Bewegungen in einem Moment absoluter Konzentration zusammenfließen und kulminieren.

Kann man darin so etwas wie „Harmonie“ entdecken, bricht Gerald Eckert, ebenfalls Huber-Schüler, diese bewusst. Sein Schlüsselwerk „An den Rändern des Maßes“ beschäftigt sich, wie der Titel schon sagt, mit Grenzwertprozessen, wo sich der Klang in extremer Verdichtung beziehungsweise brüchig werdender Verdünnung in seiner ganzen Komplexität zeigt. Auflösung ins Nichts wird zur Fülle. Raum, Zeit und Energie werden von ihren Rändern und Extremstellen her ungemein körperlich hör- und erlebbar.

Infos und weitere Konzerttermine 2016: www.neuemusik-eckernfoerde.de