„Götz von Berlichingen“ am Schleswig-Holsteinischen Landestheater

Von Hannes Hansen

Rendsburg. Die in einheitlichem Schwarz gehaltene Bühne ein markant umrandeter Guckkasten, auf dessen Hinterwand ein riesiger Bilderrahmen prangt. Akteure werden aus dem Rahmen treten und sich auf der Vorderbühne präsentieren; später wird sich die Wand auf einen zweiten Guckkasten öffnen, aus dem ein Haufen meuternder Bauern nach vorne drängt. Lucia Beckers sinnfälliges Bühnenbild für Goethes Jugenddrama „Götz von Berlichingen“, das am Sonnabend in Rendsburg eine bejubelte Premiere feierte, macht mit solch doppelter Brechung von vornherein klar, dass hier nicht unmittelbare Gegenwart abgehandelt wird, sondern ein historischer Stoff auf seine heutige Brauchbarkeit hin befragt wird.

Götz von Berlichingen Schauspiel von Johann Wolfgang Goethe Premiere: 5. März 2016, Theater Rendsburg Foto: Ingeborg Losch, Uwe Kramer, Manja Haueis

Ingeborg Losch, Uwe Kramer, Manja Haueis in „Götz von Berlichingen“ (Fotos: Landestheater S.-H.)

Und dieser Stoff, dieser die Epoche des Sturm und Drang einleitende, von Goethe als Lesedrama konzipierte frühe Geniestreich – er war bei der ersten Abfassung gerade einmal dreiundzwanzig Jahre alt – bleibt auch in Thomas Oliver Niehaus’ Inszenierung ein schwieriger Fall, bei dem sich der Bezug zum Heute nur gelegentlich herstellt. Zu sehr auf sich allein gestellt sind die einzelnen Teile des alle Bühnenkonventionen sprengenden Stationendramas avant la lettre, als dass sie sich einer einheitlichen Konzeption unterwerfen würde.

Zudem gibt es in den ersten drei Akten kaum Aktion, die Handlung besteht vor allem aus Gesprächen, Botenberichten, Rede und Gegenrede. Ganz folgerichtig lässt der Regisseur sein einheitlich in Schwarz gewandetes Personal in langer Reihe an parallel zum Bühnerand stehenden Tischen Platz nehmen. Ein Arrangement, das vielleicht nicht grundlos an ein lebendes Bild nach Leonardos „Abendmahl“ erinnert. Die Weislingen und Hans von Selbitz, Franz von Sickingen, der Bischof von Bamberg, Götz’ Ehefrau Elisabeth, seine Schwester Maria und all die anderen, sie warten auf den Auftritt des ebenso ehrbaren wie streit- und fehdelustigen Reichsritters Götz von Berlichingen. Mit goßer Geste schreitet der Mann, der seinem Kaiser die Treue geschworen, dem Bischof von Bamberg und den anderen seine Rechte mit Füßen tretenden Reichsfürsten aber den Kampf angesagt hat, die Treppe aus dem Hintergrund wie ein Triumphator herunter, lässt sich in der Mitte zwischen seine Getreuen und Gegnern nieder und macht schon einmal klar, wer hier der Chef ist.

Uwe Kramer, Manja Haueis, Ren#e Rollin

Uwe Kramer, Manja Haueis, René Rollin

Später dann, nach allerlei Kampfesgetümmel und (Rede-) Schlachten wird dieser ebenso raubauzige wie geradlinige Kerl zum Anführer aufrührerischer Bauern und Mordbrenner, immer noch unter seiner Devise „Es lebe die Freiheit, und wenn die uns überlebt, können wir ruhig sterben“. Noch im Tode wird er in der Gefangenschaft nach dieser Freiheit rufen. Und hier im vierten und fünften Akt des auf der Einheitsbühne ohne Pause oder Zwischenvorhänge gespielten Stücks nimmt die Inszenierung Fahrt auf, tritt Handlung an die Stelle des Geredes.

Götz von Berlichingen Schauspiel von Johann Wolfgang Goethe Premiere: 5. März 2016, Theater Rendsburg Foto: Ingeborg Losch, Uwe Kramer

Ingeborg Losch, Uwe Kramer

Uwe Kramer spielt den Götz als zwischen Draufgängertum und Gewissensbissen hin und her gerissenen Mann. Dass er mit Soldatenmantel und Augenklappe auch einmal als Wiedergänger des Hitler-Attentäters Claus von Stauffenberg auftritt, ist ein Regieeinfall, der aufs Spektakel schielt. René Rollin gibt seinen Gegenspieler Weislingen als schwächlichen Zauderer, der es allen Recht machen will. Ingeborg Losch ist eine stets besorgte Ehefrau des Götz’, die freilich in einigen Momenten durchaus eigenes Profil entwickelt. Stefan Hufschmidt bleibt als Hans von Selbitz blass und dreht als Bauernanführer mit brachialer Kraft und Stimme eindrücklich auf. Simon Keel ist ein eifriger Franz von Sickingen als Parteigänger Götz’, und Reiner Schlegelberger ein eiskalter Bischof und schneidiger Soldat. Vorwiegend mit offenem Munde staunend: Stefan Wunder als Franz.

Götz von Berlichingen Schauspiel von Johann Wolfgang Goethe Premiere: 5. März 2016, Theater Rendsburg Foto: Uwe Kramer, Manja Haueis und Ensemble

Uwe Kramer, Manja Haueis und Ensemble

In einer Doppelrolle glänzt Manja Haueis. Als Götz’ Schwester ist sie ein liebe- und hingebungsvolles junges Mädchen, als Adelheid von Walldorf eine ebenso lockende wie eiskalte femme fatale und Mörderin, die ihre eigenen Interessen über alles stellt.

Fazit: Die Inszenierung versucht – streckenweise durchaus auf einleuchtende Weise – mit allerlei Effekten das Gold Goethescher Poesie aus dem tauben Gestein eines dramtischen Felsenungetüms zu lösen. Langeweile und magische Momente lösen sich ab.

Infos, Termine und Karten: www.sh-landestheater.de