Der Schriftsteller Feridun Zaimoglu spricht über seinen Anteil am deutsch-israelischen Projekt „10 Gebote“ am Kieler Schauspiel
Von Christoph Munk
Kiel. Zehn Gebote, zwei Stücke, ein Abend: Im Kieler Schauspiel wird am kommenden Freitag (19 Uhr) ein wahrhaft biblisch großes Projekt uraufgeführt: „10 Gebote“ orientiert sich an dem grundsätzlichen Regelwerk des Alten Testaments, für gläubige Christen wie Juden von elementarer Bedeutung. Den israelischen Teil des Doppelabends inszeniert die Regisseurin Dedi Baron aus Tel Aviv nach einem Text von Shlomo Moskovitz (siehe Interview). Den deutschen Beitrag liefern Feridun Zaimoglu und sein Co-Autor Günter Senkel. Wie sie zu dem Projekt kamen, erläutert Zaimoglu im Gespräch.
Es kann kein Zufall sein oder wird hier einfach eine Erwartung erfüllt? Aus der Bücherwand in Zaimoglus Arbeitszimmer springen sofort mehrere Bibelausgaben ins Auge. Dazu etliche Bände über die Heilige Schrift. Kein Zufall, kein Wunder: Das nächste Buch des Kieler Schriftstellers beschäftigt sich mit Martin Luther. „In unserem Team“, sagt Feridun, „bin ich der Religionsminister, der Schriftenkundige“. So an die 20 Mal habe er, von seiner Herkunft eigentlich Muslim, die Bibel gelesen, mit großem Interesse und in verschiedenen Fassungen und Übersetzungen.
Dennoch hält sich Zaimoglu nicht für „bibelfest“. Ihn fasziniert das Buch der Bücher: „Wichtige Sprache, eine mächtige Welt, große Geschichten.“ Besonders das Alte Testament enthalte „wuchtige Bilder – da ist alles drin: Tod, Verderben, Gott, Sünde, Auferstehung“. Der Autor spricht von „Welthaltigkeit“, von seiner „Liebe zu Gleichnissen“ und kommt immer wieder auf die „lebendige Sprache“, die so ganz im Gegensatz zur aktuellen Tendenz zur „Verdünnung“ steht.
Das Angebot des Kieler Schauspiels, ein Stück über die Zehn Gebote zu schreiben, stieß da natürlich auf fruchtbaren Boden. Zumal zur gleichen Zeit von den Passionsspielen in Oberammergau eine Anfrage nach einem Moses-Drama kam und der Hessische Rundfunk ein Hörspiel für ein Bibelprojekt bestellte. Moses wurde historisch verarbeitet, das Hörspiel handelte von Paulus. Aber wie geht man die Zehn Gebote an, ohne sofort bei „eingerahmten oder gestickten Bibelsprüchen“ zu landen? „Man ist, wenn man über diese ethischen und moralischen Grundsätze nachdenkt, schnell bei den Übertretungen“, schildert Zaimoglu seine und Senkels Überlegungen. „Verhunden“ nennt er den Vorgang des Verstoßens gegen die Gebote. „Und die Stunde der Verhundung ist der Krieg.“
Damit hatten die Autoren ihr Thema gefunden. Und mit der Blockade von Leningrad einen höchst markanten historischen Anlass. Feridun Zaimoglu nennt dieses beispiellose Kriegsverbrechen „bestialisch“. Wie dort von September 1941 bis Januar 1944 unter der Devise „Führer befiehl, wir folgen“ eine Stadt belagert und eingeschnürt wurde, um deren Bevölkerung in den Hungertod zu treiben, zeigt, wie die einzelnen Soldaten mit ihrer Moral brechen mussten und „dass der Krieg der Bruch mit allen Geboten ist“. Der erste Schritt, das Geschehen zu begreifen, bestand für Zaimoglu und Senkel in Recherchen: „Es gibt genügend Dokumente, Tagebücher, Marschbefehle, Tatsachenberichte.“
Es lag also genügend Material vor. Und doch sollte daraus kein dokumentarisches Stück werden. „Da gibt es die harten Fakten“, sagt Feridun, „und die tatsächlichen Geschehnisse haben wir intensiv auf uns einwirken lassen“. Doch man müsse sich auch wieder davon lösen, um eine eigene Art der Erzählung zu schaffen. „Da bedarf es unserer eigenen Fantasie. Wir können uns der Sache nur mit den Mitteln der Dichtung nähern.“ Wenn man einen plumpen Realismus umgehen wolle, müsse man sich auf die Möglichkeiten des Theaters besinnen. „Und das heißt Bilder schaffen.“ Doch damit werde nichts geschönt, versichert Feridun Zaimoglu: „Sei sicher: Das ist und bleibt eine ganz dunkle Geschichte.“
Termine und Info: www.theater-kiel.de
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