Der Kultur-Rausch kam in der Nacht der Clubs schon richtig in Fahrt

Von Jörg Meyer

Kiel. Dreizehn Clubs in einer Nacht, das ist kaum zu schaffen, wenn man auch mal genauer hinhören will oder wenn schon die Vorband so zur Sache geht, dass man unbedingt bleiben will. Wie haben in fünf der an der Nacht der Clubs beteiligten Clubs vorbeigeschaut und hereingehört – und fanden den Kultur-Rausch schon bei seinem Start bestens in Bewegung.

Entspanntes Gebläse der drei SaxofonistInnen von Just Frank im STATT-Café – dahinter lauern Groove und Funk ganz „frank und frei“. (Fotos: jm)

Entspanntes Gebläse der drei SaxofonistInnen von Just Frank im STATT-Café – dahinter lauern Groove und Funk ganz „frank und frei“. (Fotos: jm)

So eine lange Nacht beginnt man am besten entspannt – oder auch so „frank und frei“, wie im STATT Café Just Frank mit dem Jazz-Idiom spielen. Schon die Besetzung des Quintetts ist ungewöhnlich: drei Saxofone, Alt (Conni Nicklaus), Tenor (Olympia Jensen) und Bariton (Janek), dazu ein Rhythmus-Duo mit zuweilen funky E-Bass (Darius) und Drums (Eddie Jensen), die elegant zwischen groovy Dance-Style und knalligem Overdrive wechseln. Ziemlich relaxt spielt man sich im Gebläse die Tune-Bälle zu, nur wer genau hinhört, entdeckt die fugierte Struktur der Eigenkompositionen der Band, die sich 2012 am Amsterdamer Jazz-Konservatorium zusammenfand. Das könnte leicht akademisch steif werden, bleibt aber stets das Gegenteil. Was zum Beispiel „In A Drummer’s Head“, so ein Titel, vorgeht, können sich hier auch Bläser in ihren knackigen Staccati vorstellen.

So lebt es sich in der „headphone-city“: The Rhythm Junks verbanden im Prinz Willy Blues mit Elektro-Beats.

So lebt es sich in der „headphone-city“: The Rhythm Junks verbanden im Prinz Willy Blues mit Elektro-Beats.

So schon mal gut eingestimmt, geht’s im Prinz Willy entsprechend bewegt weiter. Auch das belgische Trio The Rhythm Junks hat mit Steven De Bruyn an Bluesharp, Synthie und Stimme, Bassist Jasper Hautekiet und Drummer Tony Gyselinck eine ungewöhnliche Besetzung und wildert munter in allen Genres von Arthouse-Jazz, Blues und Soul bis hin zum Elektro-Folk-Pop. Wie das „Living in a headphone-city“ ist, kann man sich unter elektronisch verfremdeten und re-sampleten Harmonika-Klängen und wabernden Elektro-Loops vorstellen – bewegt schräg und doch so erdig vertraut bis überirdisch entrückt wie der Sound aus der Garage um die Ecke.

Bevor die Hinterhof Supernova im Luna zündete, ließen The First Last ihre tanzbaren Rock-Grunge-Punk-Beats von der Leine.

Bevor die Hinterhof Supernova im Luna zündete, ließen The First Last ihre tanzbaren Rock-Grunge-Punk-Beats von der Leine.

Aus letzterer kommen auch The First Last, Vorband von Hinterhof Supernova im Luna. Die Ersten sind dabei absolut nicht die Letzten, wenn Paul Horn (Gesang), Dennis Mielke und Fabian Schwarze an den Gitarren und Frederic Sabrowski auf den Drums ihre Rock-Grunge-Punk-Beats von der Leine lassen. Fette Riffs hinter zerrenden Gitarrenwänden bringen flugs die Tanzbeine in Bewegung.

Solche steppen zu den House-Beats von den DJs Jerome und Hagenfeetly im Villa Klub noch eher zaghaft, aber die Nacht ist ja auch noch jung. Weiter geht’s daher zunächst in die Hansa48, wo wir die Vorband Testsieger nicht verpassen wollen. Das Duo gilt als Geheimtipp – unbedingt anhören! Jan S. Beyer (Drums, Gesang) und Jörg Wockenfuß (Elektronik) sind ursprünglich Theatermusiker und verbinden ravend bewegte Beats mit Diskurs-Pop-Texten à la „starke Worte gegen leere Hülsen“ und „Rave-Punk für eine bessere Welt“. Sowas bewegt das „Brain“ genauso wie die Beine, wenn die beiden „Action-Helden“ des Beats die Welt in den Tanz retten.

„Die Basis unseres Systems trägt nicht mehr“, meinten „Sie kamen Australien“ in der Hansa48 – und etablierten gleich ein neues, das mit tanzbaren Beats umso mehr trug.

„Die Basis unseres Systems trägt nicht mehr“, meinten „Sie kamen Australien“ in der Hansa48 – und etablierten gleich ein neues, das mit tanzbaren Beats umso mehr trug.

Mit solchem Angang sind die Testsieger die passenden Wegbereiter für den Hansa-Haupt-Act, das Kieler Trio „Sie kamen Australien“. Auch Henner (Gitarre und Gesang), Bassist Stulle und Simme hinter einem Kabelwald digitaler und handgemachter Beats mixen Text- mit Beat-Intelligenz. Gleich zu Beginn geht es mit Bleifuß auf den „Highway Nummer Eins“, eine unwiderstehliche Aufforderung zum Tanz. „Wir ticken nicht ganz richtig“ heißt es darin, denn gerade damit macht man „alles richtig“. Ein gedanklicher Loop, weil Zirkelschluss? Keineswegs, denn die Kieler Down-Under-Dogs wissen: „Die Basis unseres Systems trägt nicht mehr.“ Auch so ein in Ohr und Beinen bleibender Song vom neuen Album „Peter ist der Wolf“, das hier seine bewegte Release-Party feiert. Nicht minder sich ins Brain bohrend ist „Gib mir deine Kraft (dann geb’ ich dir meine Depression)“. Letztere haben eh schon alle an der Garderobe abgegeben oder mit dem „Wolf“ im keinesfalls Schafspelz der fetten Beats weggetanzt.

Infos: www.kultur-rausch.de