Im Kieler Theater Die Komödianten arbeitet Ivan Dentler mit einem jungen Team an „Zeit der Kannibalen“
Von Christoph Munk
Kiel. Drei Globalplayer auf Businesstrip: vorige Woche China, dann Indien, heute Lagos. Und immer der gleiche Ritus: Ankunft Airport, Transfer zum Hotel, die ewig gleichen Suiten, First Class. Dort werden die Geschäfte erledigt. Unternehmensberatung: Rationalisierung, Firmen zerschlagen, Personal freisetzen, Menschen um ihre Arbeit bringen. Abflug zum nächsten Deal. Die Realität bleibt draußen. Nach diesem Muster reduziert der Kinofilm „Zeit der Kannibalen“ die Story auf den immer gleichen Schauplatz. Auf der Bühne kann das prima als Kammerspiel funktionieren.
Kein Wunder, dass Ivan Dentler, Regisseur und Schauspieler beim Kieler Theater Die Komödianten, von dem Stoff und den Möglichkeiten der Realisierung schnell begeistert war. „Wenn man ständig die Nachrichten vor allem aus dem Wirtschaftsleben verfolgt, wird einem sofort klar, wie aktuell das Thema ist“, sagt der junge Theatermacher. Nachdem er Johannes Nabers Film, der vor zwei Jahren in die Kinos kam, gesehen hatte, war er froh, dass nach dem Drehbuch von Stefan Weigl bereits eine Theaterfassung existiert, geeignet für eine kleine Bühne und konzentriert auf drei Haupt- und eine Nebenrolle. Die übernehmen Anna Nigulis, Regisseur Dentler selbst, Christian R. Meyer, neues Ensemblemitglied aus Hamburg, und die Praktikantin Liesa Strehler. Am Donnerstag, 28. April, um 20 Uhr soll Premiere sein.
Natürlich fällt im Gespräch über das Stück und seine Inszenierung sofort das Wort Globalisierung. Und die Folge der Konzentration wirtschaftlicher Macht auf riesige Konzerne. „Man muss sich klar machen, dass das Geschäft der Unternehmensberatungen weitgehend unter Kontrolle von 20 großen Firmen läuft“, sagt Dentler und spricht von undurchsichtigen Beziehungen, von einem „Spiel im Haifischbecken“.
„Diese Typen kriegen nichts mit von den Ländern, in denen sie agieren, und der Kultur dort“, beschreibt Ivan Dentler die drei Figuren im Mittelpunkt. Ebenso wenig hätten sie Ahnung von den Menschen, die von ihren Entscheidungen betroffen sind. „Das bleibt alles anonym und austauschbar.“ Das Trio selbst sei eingebunden in eine Firmenhierarchie, in der jeder nach Karriere gieren und um seine eigene Existenz kämpfen müsse. Denn es gelte das Prinzip „up or out“, wer nicht aufsteigt, stürzt ab. Das setze die Akteure selbst unter Druck, mache sie zu „Soldaten in diesem Feldzug“. Sind also Öllers und Niederländer und die ehrgeizige Bianca die Kannibalen, weil sie Betriebe, Arbeitsplätze und menschliche Existenzen zerstören? Oder werden die Täter selbst zu Opfern? „Das System frisst auch sie auf“, sagt Dentler, will aber das dramatische Ende nicht verraten.

„Man muss sich seinen eigenen Charakter erarbeiten“. Anna Nigulis (rechts) in einer Probeszene mit Liesa Strehler, beobachtet von Regisseur Ivan Dentler. (Foto: ehr)
Wie kriegt man als junger Schauspieler solche Typen drauf? Wie löst man sich aus dem Schatten von Katharina Schüttler, Devid Striesow und Sebastian Blomberg, den eindrucksvollen Darstellern der Kinoversion? „Mir hat der Film nicht gut getan“, gibt Anna Nigulis zu. Sie habe ihn darum nicht nochmal intensiv angesehen. „Man darf sich keinesfalls an Vorbildern orientieren, sondern muss sich seinen eigenen Charakter erarbeiten.“ Dabei helfe – altes Probenrezept – die Konzentration auf den Text und seinen Subtext. „Wenn man ihn gründlich studiert, kann man alles über die Figur erfahren. Am besten, man erfindet sich eine Rollenbiografie.“
„Für alle drei Darsteller ist es eine große Hilfe, dass die Figuren viel miteinander und viel gegeneinander agieren“, ergänzt Ivan Dentler. So entstünden verschiedene Persönlichkeitsprofile. Und so werde das Zusammenspiel geschärft. „Die Personen im Stück handeln vielfach als Gegner und Rivalen, aber wir als Schauspieler müssen konstruktiv, im kollegialen Miteinander vorankommen.“ Bis zur Premiere von „Zeit der Kannibalen“ am kommenden Donnerstag bleibt das für ein junges Team ein Theater-Abenteuer.
Infos: www.komoedianten.com
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