Ivan Dentler inszeniert im Kieler Theater Die Komödianten Johannes Nabers „Zeit der Kannibalen“

Von Hannes Hansen

Kiel. Vorwiegend in den ärmsten Ländern der Welt agieren die Unternehmensberater Frank Öllers und Kai Niederländer. Freunde und Rivalen zugleich, belauern sie sich und spekulieren darauf, als Nachfolger eines unter undurchsichtigen Umständen – möglicherweise durch Selbstmord – ums Leben gekommenen Kollegen „Partner“ der weltweit agierenden Firma zu werden, für die sie ihre dreckigen Geschäfte machen. Die Länder, die sie heimsuchen, kennen sie nur aus der Perspektive der ewig gleichen Hotelzimmer. Den Schmutz, den Gestank und die Probleme der wirklichen Welt da draußen kommentieren sie mit zynischen Sprüchen, bestenfalls mit der hingerotzten Bemerkung, der Kapitalismus werde es schon richten. Sie sind Kannibalen, die nicht ahnen, dass das System, dem sie dienen und an das sie mit quasi-religiöser Inbrunst glauben, sie am Ende fressen wird.

Aufregung im Hotelzimmer: Szene mit Anna Nigulis, Christian H. Meyer und Ivan Dentler (rechts). Foto Komödianten

Aufregung im Hotelzimmer: Szene mit Anna Nigulis, Christian R. Meyer und Ivan Dentler (rechts). (Fotos: Komödianten)

Zu den beiden Gemütsathleten stößt eine Frau, Bianca März. Eine Rivalin oder eine Abgesandte des großen Bosses der Company, für den sie Öllers und Niederländer aushorcht? Letztlich gleichgültig, denn als der Bürgerkrieg die drei in ihrem scheinbar sicheren Hotelzimmer im nigerianischen Lagos erreicht, kommt es zur Katastrophe.

An Stefan  Weigls und Johannes Nabers Film „Zeit der Kannibalen“ lobte die Kritik die „rasiermesserscharfen Dialoge“ und das stilisierte Bühnenbild. Beides bleibt in Ivan Dentlers bei der Premiere herzlich gefeierter Inszenierung der Bühnenfassung erhalten, und auch die schnelle, „filmische“ Szenenfolge, bei der das immer gleichen Hotelzimmer an wechselnden Orten vom rasenden Stillstand des Spiels um Geld, Gier und Macht kündet, überzeugt durchaus.

Die Nervosität steiget (v. li.): Liesa Strehler, Ivan Dentler, Anna Nigulis und Christian H. Meyer

Die Nervosität steigt (v. li.): Liesa Strehler, Ivan Dentler, Anna Nigulis und Christian R. Meyer

Trotzdem verfehlt die Inszenierung ihre Wirkung, weil in der als Kapitalismus-Satire gedachten Groteske statt differenzierten, gestandenen Männern eindimensionale Figuren und Abziehbilder dessen, was wir schon immer von Typen wie diesen wussten, auf der Bühne stehen. Ivan Dentler als Öllers und Christian R. Meyer als Niederländer mag man die knallharten Geschäftsleute, die zu sein sie vorgeben, nicht abnehmen. Sie sind eher pubertierende Rotzlöffel ohne Entwicklung, ohne leise Töne, erschrockene Kinder, die ihre Unsicherheit permanent hinter lautem Geschrei verbergen und die Eiseskälte ihrer Worte nur vorgeben zu empfinden. Zudem sind ihnen Hamlets mahnende Worte an die von ihm engagierten Schauspieler, „nicht zuviel mit den Händen durch die Luft“ zu sägen, allzu oft fremd. So fehlt den Figuren die Fallhöhe, die die Wandlung vom gewissenlosen Geschäftsmann mit dem Gemüt eines Schlachterhundes, der andere zur Sau macht, zum armen Schwein, das das System schlachtet, glaubhaft machen könnte

Leisere Töne findet Anna Nigulis’ Bianca März, aber sie ist von einer derart umwerfenden Harmlosigkeit, ja Trutschigkeit, dass man ihr den gefährlichen Ehrgeiz, den ihre moderaten Worte nicht verbergen können, einfach nicht abnimmt. Markus Dentler ist in der Einblendung einer Videokonferenz als Big Boss der Company zu sehen, der mit jovialem Grimassieren seine Untergebenen über den Löffel balbiert, Nesimi Temel gibt in einer anderen Einblendung einen eiskalten Berater, und Liesa Strehler ist in einer stummen Rolle als gedemütigter Hotelpage und zum Sexualobjekt degradiertes Zimmermädchen zu sehen.

Fazit:
Von der Gefährlichkeit des global agierenden Kapitalismus ist bei den Komödianten wenig zu sehen. Die Kapitalismus-Satire wird zur farcenhaften Groteske.

Info und Termine: www.kielertheater.de