Die Omnibus-Lese-Tour des CROWD-Projekts machte Station in Kiel

Von Jörg Meyer

Kiel. „Ich suche überall ein bisschen nach Argentinien“, sagt die in Buenos Aires geborene, aber seit 1996 in Berlin lebende Autorin María Cecilia Barbetta. Zusammen mit sieben weiteren Autoren des literarischen CROWD-Netzwerks ist sie auf Omnibus-Lesereise durch Deutschland, einer Etappe des drei Monate dauernden Projekts, bei dem 100 Autoren in wechselnden Gruppen von Finnland bis Zypern durch ganz Europa touren. In Kiel lasen die Autoren nicht nur im Literaturhaus, sondern ließen sich von den Kieler Kollegen Heinrich Wolf, Zara Zerbe, Stefan Schwarck und Nils Aulike auf einem Rundgang durch die Fördestadt und ihre literarischen Orte führen.

Die Autoren auf Reisen an die Kieler Förde: (vordere Reihe, v.l.) Nadia Mifsud (Malta), Linde Nadiani (CROWD-Orga-Team), Olga pek (Tschechien), María Cecilia Barbetta (Argentinien/Deutschland), Nils Aulike (Kiel), Johannes Schrettle (Österreich); (hintere Reihe) Pambos Kouzalis (Zypern), Heinrich Wolf (Kiel), Zara Zerbe (Kiel), J. K. Ihalainen (Finnland), Stefan Schwarck (Kiel), zwei Zuhörerinnen, Johanna Klein (CROWD-Orga-Team), Judith Keller (Schweiz)

Die Autoren auf Reisen an die Kieler Förde: (vordere Reihe, v.l.) Nadia Mifsud (Malta), Linde Nadiani (CROWD-Orga-Team), Olga Pek (Tschechien), María Cecilia Barbetta (Argentinien/Deutschland), Nils Aulike (Kiel), Johannes Schrettle (Österreich); (hintere Reihe v.r.) Pambos Kouzalis (Zypern), Heinrich Wolf (Kiel), Zara Zerbe (Kiel), J. K. Ihalainen (Finnland), Stefan Schwarck (Kiel), zwei Zuhörerinnen, Johanna Klein (CROWD-Orga-Team), Judith Keller (Schweiz) (Foto: ögyr)

Wie prägt der Ort, wo man schreibt, den Text? Das ist eine der Fragen auf der Lesereise, die in der Vielsprachigkeit der Autoren auch auf der Suche nach einer „europäischen Muttersprache“ ist. María Cecilia Barbetta, die ausschließlich auf Deutsch schreibt, sieht gerade in der Fremde des Orts wie der Sprache die Möglichkeit einer „Annäherung an etwas wie Heimat. Über die Brücke der Fremdheit erst komme ich nachhause.“ Für Zara Zerbe und Heinrich Wolf ist dagegen der „Kieler Kiez“ die wichtigste Inspirationsquelle. „Die Substanz des Orts und seiner Menschen spiegelt sich im Text“, sagt Wolf. „Ich habe schon an verschiedenen Orten gelebt, und überall war ich jeweils ein anderer Autor.“

Zuweilen „drängelt“ sich der Text auch unvermutet in den gerade bereisten Ort, wenn die Schweizerin Judith Keller am Ufer des Schreventeichs von einem „trüben Tümpel“ vorliest. Oder der Ort liefert Material von einem ganz anderen und aus einer ganz anderen Zeit. Im Antiquariat Diderot, ebenfalls eine Station der literarischen Reise durch Kiel, entdeckt der österreichische Dramatiker Johannes Schrettle ein Bändchen mit dem Titel „Der Führer auf dem Lebensweg“ und trägt spontan daraus vor. „Es wird mich von Kiel aus begleiten – für die nächsten 100 Jahre“, scherzt er durchaus ernsthaft.

Der „bekennende Kieler“ Feridun Zaimoglu, der am Abend zusammen mit den Omnibus-Autoren im Literaturhaus liest, hat sich den Istanbuler Schauplatz seines jüngsten Romans „Siebentürmeviertel“ buchstäblich „erwandert“. Allerdings nicht zwecks Inspiration, mit welchem Begriff er „so seine Probleme“ hat. „Ich habe schon selbst eine genügend blühende Fantasie, die ich dann mit dem Ort des Romangeschehens abgleichen muss. Inspiration ist harte Arbeit – zu Fuß auf Reisen durch den Kopf.“

Orte können also auf ganz unterschiedliche Art inspirieren, so „indirekt“ wie durch einen Buchfund oder so direkt wie die Fördedampferfahrt zum Abschluss der kleinen Reise. „Mehr Kiel geht nicht“, augenzwinkern die Kieler ihren internationalen Kollegen zu, die unbedingt zustimmen. Und da liegt Buenos Aires, über das und den Bolero-Sänger Toni Tormenta María Cecilia Barbetta aus der Ferne gerade schreibt, „nicht nur am Rio de la Plata, sondern ein wenig auch an der Förde“.

Infos über CROWD, die Autoren und die Omnibus-Lese-Tour: crowdlitbus.eu