„Spatz und Engel“ im Kieler Opernhaus breitet die Freundschaft zwischen Marlene Dietrich und Edith Piaf aus
Von Christoph Munk
Kiel. Man konnte es ahnen: Die Bilder und die Plakate zu „Spatz und Engel“ zeigten die Kieler Kammersängerin Heike Wittlieb und die junge Schauspielerin Fenja Schneider. Aber gemeint waren Marlene Dietrich und Edith Piaf. Ach, die beiden Darstellerinnen sollten den berühmten Stars möglichst täuschend ähnlich sehen. Als ginge es nicht um eine theatralisch freie Annäherung an zwei legendäre Persönlichkeiten, sondern um einen Look-Alike-Wettbewerb.

Fast perfekte Imitationen: Heike Wittlieb zeigt sich als die Marlene Dietrich, Fenja Schneider als Edith Piaf. (Fotos: Olaf Struck)
Illusion war beabsichtigt. Und vordergründig gelang sie auch. Die Wittlieb schwebte unter Blondperücke und im Mantel aus Schwanenfedern herein, vom Gestus her ganz die späte Dietrich, selbst schon zur Kunstfigur hochstilisiert. Die kleine Schneider trippelte, trappelte im kleinen Schwarzen, schmerzhaft in der Hüfte geknickt, ein getreues Abbild der früh gealterten, von Drogen und Krankheit gezeichneten Piaf. Und wenn man die Augen schloss, konnte man glauben, auch die Stimmen ähnelten den Originalen. Es gelang sogar, mit dem gemeinsam gesungenen Chanson „Die Zeit geht dahin / Chevalier de Paris“ so etwas wie eine innige gesangliche Symbiose herzustellen.
Denn es geht um eine Beziehung: „Spatz und Engel“ von Daniel Große Boymann und Thomas Kahry heißt im Untertitel „Die Geschichte der Freundschaft zwischen Edith Piaf und Marlene Dietrich“ und will ein „Theaterstück mit Musik“ sein. Damals, bei der Erstfassung am Wieder Burgtheater, hat es Matthias Hartmann als „szenische Lesung“ eingerichtet – aus guten Gründen. In Kiel nimmt man die Genrebezeichnung wörtlich. Im Bühnenbild von Marie Rosenbach, vor Projektionen von Frank Scheewe und mit Kostümen von Sabine Keil lässt Regisseur Jörg Diekneite im Opernhaus viel Theater spielen. Denn die Autoren haben die biografisch zutreffende, wenn auch in vielen Details wenig gesicherte freundschaftlichen Verbindung mit vielen, vielen Szenen bebildert. Linda Stach, Marie Kienecker, Florian Hacke, Sebastian Rousseau sowie die Kinder Pauline Heinz und Beke Schnack erweisen sich darin als handwerklich solide schauspielerische Lieferanten. Das Musikalische leidet etwas darunter, obwohl es von Bettina Rohrbeck (Leitung und Klavier) und Karsten Schnack fabelhaft gepflegt wird. In der ersten langen Stunde bis zur Pause haben nur sechseinhalb Songs Platz.
Nach der Pause nimmt, wie angekündigt, die Song-Dichte zu: Elf musikalische Nummern, gut gemischt aus dem Dietrich-Piaf-Repertoie, begleiten nun das allmähliche von Seelenschmerz, Krankheit und Alkohol und anderen Drogen beschleunigte Dahinscheiden des Spatzes von Paris. Und Marlene erweist sich immer mehr als der hausmütterlich fürsorgliche Engel der geliebten Freundin, der sie über alle Zerwürfnisse und Affären hinweg die Treue hielt. Von Beginn aber steht die sängerische Qualität von Heike Wittlieb und Fenja Schneider im krassen Gegensatz zum szenisch braven und breiten Arrangement. Muss man auf der Bühne sehen, wie die Dietrich die Piaf ins Bett lockt? Muss man beobachten, wie sie später der Kranken die Füße trocknet oder in ihrer Kammer den Boden wischt? Geschmacksache! Doch egal wie trivial die Geschichte zweier großer, eigenwilliger Persönlichkeiten mit den Mitteln der Imitation erzählt wird, dank des unvergesslichen Schatzes der eingestreuten Songs überlebt die Legende auch das. Und geht zu Herzen. Also kann von lebhaftem, nachhaltigem Premierenbeifall berichtet werden.
Info und Termine: www.theater-kiel.de
17. Juni 2016 um 15:56
Sie hätten zumindest dankend erwähnen können, daß Ihre Frau den 2. Akt alleine übernommen hat, damit Sie Fußball gucken können. Glaubwürdigkeit als „Kritiker“: 6.
19. Juni 2016 um 23:14
Peinlich, peinlich und disqualifizierend für den Kritiker, wenn es so war!!!
20. Juni 2016 um 11:32
Sehr geehrter Herr Munk,
ich war Gast in der Premiere und habe jede Sekunde genossen, wenn es für Sie eine erste lange Stunde war, verstehen Sie nicht viel von Theaterkunst!
17. Februar 2019 um 13:18
Guten Tag aus dem Jahr 2018,
Wahrscheinlich hatten sie damals tatsächlich einen anderen Abend angesehen, als die vielen Zuschauer die sich bereits in der 3. Spielzeit in Folge (im fast immer ausverkauftem Opernhaus) diesen fantastischen Abend „antun“.
Schade, dass diese Kritik eher weniger gelungen ist.