Eine Begegnung mit dem Künstler Ulrich Behl,
der den Kieler Kulturpreis 2016 erhält

Von Christoph Munk

Kiel. Jetzt hat sich gerade ein Schwarm Möwen auf dem Schwimmobjekt niedergelassen. Beinahe jeder der 27 Körper ist von einem der Vögel besetzt. Ulrich Behl gefällt das. Vor 30 Jahren hat er die schwimmende Plastik für den Kleinen Kiel geschaffen, spätestens seit 1993 treibt sie jeden Sommer im Wasser. „Ich habe meine Freude an der gefundenen Form“, sagt der Künstler und beschreibt seine Stimmung beim Betrachten des Objekts als „wohlwollend – als hätte ich es gar nicht selbst gemacht“. Hat er aber. Es ist die öffentlich auffälligste Arbeit von Behl, der am Sonntag mit dem Kieler Kulturpreis ausgezeichnet wird.

Mit dem Gefühl des Wohlwollens begegnet Ulrich Behl seiner schwimmenden Plastik. (Foto Munk)

Mit dem Gefühl des Wohlwollens begegnet Ulrich Behl seiner schwimmenden Plastik. (Foto: Munk)

„Strenge Geometrie trifft auf Natur, auf Wasser und Wind“, so bezeichnet der Künstler das Spiel auf dem Innengewässer, als wir auf einer Bank am Lorentzendamm sitzen. Und gleich greift er nach meinem Notizbuch, um eine einfach Zeichnung zu machen. „Du nimmst ein Quadrat, noch eins daneben, ziehst eine Diagonale und schon hast du die Grundform.“ Dreidimensional gezeichnet schwimmt das Objekt auf der Wasserlinie. „Das sind doch nur fünf verschieden große Hohlkörper, geformt aus 2-mm-Aluminiumblech.“ Mit einem Gewicht am Boden gehalten bewegen sich – in der Realität – die Tetraeder in relativ freier Formation. Und die verändert sich, je nachdem wie die Luft weht, wie das Licht steht.

Zwei Quadrate, eine Diagonale - die Grundform von Behls Schwimmobjekt ist da.

Zwei Quadrate, eine Diagonale – die Grundform von Behls Schwimmobjekt ist da.

„Schreib bloß nichts von stilisierten Segeln oder von Haifischflossen“, sagt Uli Behl. Das sei keinesfalls gemeint und er nehme das als Deutung allenfalls lächelnd hin. „Es sind geometrische Körper, die ich dem Spiel überlassen habe.“ Und dann folgt bei ihm die Begriffsreihe „Licht, Bewegung, Struktur“ und ein fundamentaler Satz: „Ratio und Gefühl machen gemeinsame Sache.“ Das versucht Behl auch den Leuten zu erklären, wenn er bemerkt, dass sie vom Bus aus das Schwimmobjekt entdecken, oder es vom Ufer aus ausführlicher studieren. „Da habe ich es noch nie erlebt, dass jemand gemeckert hat. Da staunen sie eher und rätseln.“

Was für reizvolle Gegensätze: Strenge der Form und die spielerische Beweglichkeit. Die penible Untersuchung einer Struktur und die Entdeckung phantasievoller Gebilde. Alles lebe vom Kontrast, erklärt dazu der Künstler: „Schau doch deine Notizen an: Schwarze Schrift auf weißem Papier.“ Und zwei gegensätzliche Seiten vereint auch die Persönlichkeit Ulrich Behl. Er engagiert sich in seinen Berufsverbänden und meldet sich temperamentvoll in kulturpolitischen Diskussionen zu Wort. Geschichten und Anekdoten sprudeln in jedes Gespräch. Und dann dieses Werk, das von Strenge, formaler Konsequenz und äußerster Disziplin geprägt ist. Wie passt das zusammen?

„Du solltest mich mal am Zeichentisch sehen. Da bin ich die Ruhe selbst“, beschreibt sich Behl bei der Arbeit. Stundenlang könne er dann über einem Blatt brüten, warten, bis sich aus einer Idee eine Form ergibt – oder umgekehrt. Er erinnert an die Bauhaus-Regel: Vor einem leeren Blatt Papier bist du nur mit dem ersten Punkt oder Strich frei. Danach hat alles Konsequenzen. Er liebe die so ausgelösten Prozesse sagt Behl. Vieles entwickle sich eben aus dem Machen.

Sein Werk als Zeichner und seine oft aus Papier und Holz gefertigten Objekte weisen Behl als Strukturalisten und Vertreter der konkreten Kunst aus. Das hat ihn bekannt gemacht und ihm viele Preise und Ausstellungen eingebracht. Doch dahin führte auch ihn ein allmählicher Prozess. Schon in der Schule in Hannover fiel der aus Pommern stammende Künstler auf, weil er gut zeichnen konnte. Karikatur und Kabarett waren zunächst sein Metier. „Ich habe gern gegenständlich gezeichnet, war mit Naturstudien und organischen Formen unterwegs.“ Geprägt habe ihn aber während der Hochschulausbildung zum Kunstlehrer der Bauhaus-Künstler Kurt Schwerdtfeger und später Raimund Gierke. Und irgendwann, als er den Glanz auf Metallflächen darstellen wollte, begann Behl vor allem Weg und Wirkung des Lichts zu untersuchen. Dabei ist er geblieben. Mit wachen Sinnen. Denn ihn faszinieren „die interessanten Dinge, an denen das Auge Freude hat“. Das hat er als Lehrer an Hochschulen und in der Erwachsenenbildung seinen Studenten immer nahe gelegt. Und spontan deutet er auf einen zertretenen Kronkorken, der vor uns im Sand liegt. Und schon ahnt man, dass er darin bald vor allem geometrische Formen entdecken könnte. Denn Reduktion und Konzentration sind für Ulrich Behl spannende Prozesse. Und darum erscheint ihm, wenn ich ihn richtig verstanden habe, „gerade das Gegenstandslose so reich“.