Unterwegs mit Hannes Hansen – Teil 14: Im literarischen Paris
Von Hannes Hansen
Paris. Ich werde oft von meinen Freunden gefragt, warum ich denn Frankreich für das zivilisierteste Land der Welt halte. Ich antworte dann mit einem schlichten Vergleich. Franz Joseph Strauß unseligen Angedenkens bezeichnete einmal Schriftsteller wie Heinrich Böll und Co. als „Ratten und Schmeißfliegen“. General de Gaulle, bei den Unruhen und Straßenkämpfen im Mai 1968 französischer Staatspräsident, zeigte dagegen ein anderes Verständnis von Kultur. Als die Pariser Polizei Jean Paul Sartre, der sich öffentlich auf die Seite der rebellierenden Studenten geschlagen hatte, verhaften wollte, sprach er von der Höhe seiner respektablen 1,95 Meter herab: „Voltaire verhaftet man nicht.“ Peng, Ende der Durchsage.
Natürlich strebt jeder französische Politiker auch nach literarischen Ehren, und so war sich François Mitterand dann auch nicht zu schade, die letzte Platte des großen Jacques Brel in „Le Monde“ zu besprechen. Doch gibt es in Paris noch mehr eindeutige Zeichen für die Verehrung, die Schriftsteller und ihre Literatur genießen. Greifen wir heute, am letzten Tag meines Parisaufenthalts nur zwei heraus.
In seinen letzten Lebensjahren wohnte der vor den Nazis geflohene österreichische Schriftsteller Joseph Roth (1894 – 1937), der in seinen Romanen „Radetzkymarsch“ und „Die Kapuzinergruft“ seiner Trauer über den Untergang de k.u.k. Monarchie beredten Ausdruck verliehen hatte, in der Rue Tournon in Paris nahe dem Jardin du Luxembourg. Gegenüber im „Café Tournon“ saß er jeden Tag an dem gleichen kleinen Ecktisch, schrieb und trank. Heute erinnert eine Messingtafel über seinem Stammplatz an ihn. An einen Autor mit „kakanischen“ Wurzeln, den hier außer ein paar Germanisten wahrscheinlich kein Mensch kennt. Aber er war halt Schriftsteller, ein Literat, und dass er sich im Café Tournon zu Tode soff, reicht diesem zur Ehre. Auch heute noch.
Und ein letztes Beispiel: Auf einer an die fünfzig Meter langen Mauer eines Finanzamts in der Rue Ferou in Saint-Germain-des-Près prangt Arthur Rimbauds verstörendes Langgedicht „Le Bateau Ivre“, eines der Schlüsselwerke der Moderne. Alle einhundert Verse, sorgfältig auf das Mauerwerk gemalt. Nun mal ehrlich Freunde: Könnt ihr euch, sagen wir, Paul Celans „Todesfuge“ an einem deutschen Finanzamt vorstellen? Ich nicht. Quod erat demonstrandum sage ich im Hinblick auf das kulturelle Selbstverständnis Frankreichs und Deutschlands mit meinem alten Lateinlehrer. Was zu beweisen war.
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