Unterwegs mit Hannes Hansen – Teil 18: Von Sète nach Roncesvalles

Von Hannes Hansen

Roncesvalles. Ein paar Kilometer geht es hinter Sète noch weiter am Mittelmeer entlang, an amphibischem Schwemmland, an Lagunen, Vogelschwärmen und meist ausnehmend hässlichen Neubausiedlungen und Touristenghettos. Eine weitgehend verhunzte Küste.

Irgendwann biegt sie nach Süden ab und ich fahre weiter nach Westen. Immer auf National- und Département-Straßen, Autobahnen vermeide ich. Trotzdem gilt: Wer auf schmalen Alleen zwischen Platanen, durch deren dichtes Blätterdach die Sonne Lichtflecken auf die Straße malt, gemütlich durch die Landschaft zuckeln möchte, muss die oft vierspurigen, aber auch sonst meist an den Städten vorbeiführenden Straßen immer wieder verlassen. Das tue ich und deshalb brauche ich auch drei Tage, bis ich an meinem ersten Ziel in Spanien, in Roncesvalles bin.

In den Vor-Pyrenäen (Fotos: hah)

In den Vor-Pyrenäen (Fotos: hah)

Doch zunächst einmal fahre ich am Pyrenäenrand entlang, im Süden bis zu dreitausend Meter hohe Berge, auf denen jetzt im Juni noch Schnee liegt. Carcassonne lasse ich links liegen, eine im Schutze ihrer vollständig erhaltenen Mauern liegende mittelalterliche Stadt hoch oben über der Straße. Ich weiß, eigentlich ist Carcassonne wegen seiner schon im neunzehnten Jahrhundert bestens, manchmal ein wenig zu originalgetreu restaurierten Bauten, Straßen und Plätze ein Anziehungspunkt für den Reisenden von erster Güte. Doch das wissen alle anderen auch, und deshalb läuft man hier im Sommer, wie ich aus eigener Erfahrung weiß, Gefahr, umgerannt zu werden, wenn man auch nur einen Augenblick stehen bleibt. Alle Augenblicke speien Busse auf Riesenparkplätzen vor den trutzig aufragenden Mauern ganze Menschenmassen aus; einen Strom von Touristen, die sich sturzbachartig in die Stadt ergießen und den lauten Erklärungen ihrer Guides in allen Sprachen der Welt mehr oder weniger aufmerksam lauschen.

Nichts für mich, jedenfalls heute nicht. Ich bin jetzt im Katharerland, einer geschichtsträchtigen Landschaft, die vom Blut derer getränkt ist, die es wagten, gegen die Allmacht der Kirche zu rebellieren. Die Katharer, erzählt mir Jean Louis, hatten eigene Vorstellungen von einem Gott wohlgefälligen Leben, die weder der Kirche noch dem französischen König gefielen.

Ich habe Jean Louis in Mirepoix getroffen, einer kleinen Stadt in der Nähe des bekannteren und größeren Foix. Wir sitzen unter den Arkaden eines Cafés an einem noch ganz mittelalterlich anmutenden Platz, wäre da nicht die reich verzierte Eisenkonstruktion einer Markthalle um oder vor 1900, die sich ganz harmonisch in das architektonische Ensemble des Städtchens einfügt.

Eisenkonstruktion einer Markthalle in Mirepoix

Eisenkonstruktion einer Markthalle in Mirepoix

Ja, sagt mein neuer Bekannter, das sei wohl so, aber vielleicht nur aus heutiger Sicht. Ob derjenige damals, als die Markthalle in die Mitte der Stadt gesetzt wurde, das auch dachte, könne man bezweifeln. Wüsste ich denn nicht, dass etwa zur gleichen Zeit so bekannte Intellektuelle wie der Schriftsteller Guy de Maupassant vehement gegen den Bau des Eiffelturms mit der Begründung protestiert hätten, er sei schlichtweg hässlich und verschandele Paris. Doch, sage ich, das wüsste ich. Aber so sehr ich auch Maupassants Novellen und seinen Roman „Bel Ami“ liebte, das sei Quatsch. Jean Louis lacht und wird gleich darauf wieder ernst.

Er erzählt mir von den Katharern, und so weiß ich nun, dass der Name „die Reinen“ bedeutet, von griechisch καθαρός, katharós „rein“. So bezeichneten sich die Anhänger einer christlichen Glaubensbewegung, die vom 12. bis zum 14. Jahrhundert vornehmlich im Süden Frankreichs, aber auch in Italien, Spanien und Deutschland verbreitet war und zum wahren, ursprünglichen Christentum zurückkehren wollte. Eine Reformbewegung, die auch aristokratische Kreise erfasste und drohte, ganz Okzitanien, den Süden Frankreichs aus dem Herrschaftsverband der französischen Krone, dem es lehensrechtlich mehr nominell als faktisch unterstellt war, zu lösen.

Die Albigenser sind nach der südfranzösischen Stadt Albi, einer ehemaligen Katharerhochburg, benannt. Im Zuge des Albigenserkreuzzugs von 1209 bis 1229 und späterer Feldzüge sowie durch die Inquisition wurden die Katharer als Häretiker verfolgt und vernichtet. So wurden dann etwa im Jahre 1244 in Montsegur von einem päpstlichen Kreuzfahrerheer über zweihundert Katharer hingerichtet, Männer, Frauen und Kinder. Und weil den Männern der Kirche das Blutvergießen verboten war, verbrannte man sie lebendigen Leibes auf einem gigantischen Scheiterhaufen und vermeldete Vollzug stolz nach oben.

„Das“ mit den Katzen – noch heute auf Schildern in Mirepoix sichtbar ...

Foto hah

Man sagte den Katharern nach, dass sie Katzen, Sinnbilder des Teufels, verehrten und ihnen den Arsch leckten. Ungezügelte Sexualität, Sodomie, Päderastie und andere Ausschweifungen wurden ihnen vorgeworfen. Alles Anschuldigungen, die aus der Sicht heutiger Historiker unbegründet sind. Der wahre Grund für ihre Verfolgung liegt darin, dass ihre urchristlichen Vorstellungen christlichen Lebens und gottgefälliger Armut die Macht und den Reichtum der Kirche bedrohten. Dem französischen König wiederum lag daran, sein Herrschaftsgebiet endlich zu sichern, zumal der englische König, der Riesengebiete im Südwesten Frankreichs besaß und dem französischen König, seinem Lehnsherren, auch gern mal in die Quere kam, die Katharer unterstützte.

Jean Louis deutet auf die nahe Markthalle und sagt: „Wir müssen wohl davon ausgehen, dass auch hier Menschen verbrannt wurden.“ Wie nahe doch Schönheit und Schrecken beieinander liegen, denke ich. Eine banale Erkenntnis und doch macht sie mir das hübsche Mirapoix für einen Augenblick unheimlich, als ich vor meinem inneren Auge einen Scheiterhaufen da lodern sehe, wo bei dem gerade einsetzenden leichten Sommerregen sich jetzt Kinder unter das Dach der Markthalle geflüchtet haben und dort spielen und lachend herumtoben.

Jenseits des Terrors von damals: malerische Gassen in Mirepoix

Jenseits des Terrors von damals: malerische Arkaden in Mirepoix Foto hah

Die Parallelen zum ISIS, Al Qaida und den Talibans sind so offensichtlich, dass wir darüber kein Wort verlieren. Nur dass die Ermordung von Menschen aus quasi-religiösen Gründen keine Erfindung der Moderne und erst recht nicht des Islams sind, macht uns nachdenklich. Und so trinken wir unseren Café und essen unsere trotz allem wie immer vorzüglichen Croissants schweigend im Schutz der Arkaden unter den Häusern rund um den Platz.

Als ich mich von Jean Louis verabschiede, nennt er mir noch eine Webadresse, unter der ich am Abend auf dem Campingplatz noch mehr über die Katharer erfahre. Ich zitiere den Artikel, den die Rosenkreuzer ins Netz gestellt haben, auszugsweise für alle, die er interessiert, die anderen können ihn ja überspringen:

Geschichte wird immer von den Siegern geschrieben. Die Geschichte der Katharer, die insbesondere in der Zeit vom 12. bis zum 14. Jahrhundert in den südfranzösischen Regionen des Languedoc und in Katalonien wirkten, wurde von der römischen Kirche bestimmt. Sie ist überliefert durch zahlreiche theologische Texte, die zu jener Zeit gegen diese neue, abtrünnige Bewegung verfasst wurden, und durch die umfangreichen Berichte aus den Archiven der Inquisition.

Das Ende des Katharismus wurde durch den Albigenser-Kreuzzug eingeleitet, der 1209 – 1229 durch Papst Innozenz III initiiert wurde, um die „Ketzerei“ in Südfrankreich zu zerschlagen und die Macht der römischen Kirche zu erhalten. Viele der überlieferten Texte belegen das verzerrte Bild der Katharer, das gezeichnet wurde, um sie zu diskreditieren und sie wie die Pest aus der Gesellschaft zu verbannen.

In seinem Werk „Über den katholischen Glauben“, das Ende des 12. Jahrhunderts in Montpellier geschrieben wurde, beschreibt Alain de Lille die angebliche Etymologie des Wortes Katharer. Es bedeutet nach seiner Definition „Anbeter der Katze“. Die Katze galt als Bild Satans. Diese Analogie ist nur ein Beispiel für das Bestreben, die Katharer als verachtenswerte und der Gesellschaft gefährliche Kreaturen darzustellen. In Wirklichkeit leitet sich die Bezeichnung Katharer vom griechischen καθαρός, katharós, ‚rein’ ab, womit der reine Lebenswandel der katharischen Männer und Frauen gemeint ist.

Dachten diese „Abtrünnigen“ wirklich, wie außerdem behauptet wurde, dass schwangere Frauen den Dämon im Schoß trügen und dass alles in dieser Welt wertlos sei? Waren sie so verdorben, dass sie ihren Ruf als „Reine“ dazu missbrauchten, um ungestraft Verbrechen zu begehen? Verteidigten sie eine totale sexuelle Freiheit, die sogar Inzucht zwischen Eltern und Kindern einschloss? Aus heutiger Sicht sind solche Diffamierungen haltlos. Der Katharismus bildete vor allem eine Reformbewegung, deren Ziel die Rückkehr zum ursprünglichen Christentum in seiner reinsten und authentischsten Form war. Diese fest in der Gesellschaft verankerte Bewegung hat die mittelalterliche Denkweise wesentlich beeinflusst oder zumindest weitgehend zur ihrer Veränderung beigetragen.

Die Zeit der Geburt, der Reife und des Niedergangs des Katharismus zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert war eine Epoche großer Veränderungen und eines beachtlichen sozialen Fortschritts, der die Grundlage der Renaissance in der westlichen Kultur bildete. Genau genommen war dies eine Zeit des Übergangs zwischen zwei konkurrierenden Zivilisationsmodellen.

Auf der einen Seite blühte das feudalistische Modell, das streng und autoritär strukturiert war und sich auf wenige elitäre gesellschaftliche Gruppen stützte, die totalitäre Macht ausübten und die Hoheit über den Glauben hatten. Auf der anderen Seite begann sich ein offeneres, viel flexibleres und toleranteres Modell durchzusetzen, in dem die Bürger sich aktiv an der Verwaltung der Städte beteiligten.

Das neue Gesellschaftsmodell wurde nicht nur durch die Dynamik des Bürgertums und des Handels gestützt, sondern auch durch den offenen Austausch der verschiedenen Kulturen. Es basierte eher auf Rationalismus und Dialog als auf Glauben und Dogma und florierte ganz besonders in der südfranzösischen Region Okzitanien, von dem das heutige Languedoc ein Teil ist. Aber auch in den spanischen Regionen, die an das Miteinander von drei verschiedenen Kulturen gewöhnt waren, blühte und gedieh eine Gesellschaft des toleranten Miteinanders.

Die häufigen Symposien, die in Okzitanien vor dem Albigenser-Kreuzzug stattfanden, sind eines der besten Beispiele für dieses Klima des miteinander Teilens und der Sozialisation. Der Konvent von Narbonne im Jahr 1190, oder später jene von Béziers, Montréal, Pamiers ou Fanjeaux haben den starken ökumenischen Wunsch der okzitanischen und katalanischen Völker aufgezeigt. Zu dieser Zeit waren die Pyrenäen keine Grenze, die die Völker voneinander trennte, sondern die gemeinsame Wiege, die sie vereinte.

Der König von Aragonien und Graf von Barcelona – genannt Peter, der Katholische – nahm an einem dieser Symposien teil, das im Februar 1204 in der Stadt Carcassonne stattfand. In einem handschriftlichen Brief berichtet er über die für ihn unverständliche Sicht der Katharer:

„Am nächsten Morgen, auf Wunsch des Vogtes des Vicomte von Carcassone, habe ich die anderen Häretiker angehört: Ich war dabei mit 13 der ketzerischen Unruhestifter und 13 Katholiken. Dort wurden Bernard de Simorra, Bischof der Häretiker, und seine Kameraden aufgefordert zu sagen, ob sie an einen allmächtigen Gott glaubten. Ohne Anfang und Ende … Sie gaben öffentlich frevelhaft zu, dass alle sichtbaren Dinge vom schlechten Gott erschaffen wurden, und fügten hinzu, dass der Gott, der Moses das Gesetz gegeben hatte, dieser Schlechte war. Sie bekannten sogar offen, was schlimm zu hören ist, dass Jesus Christus einen leiblichen Vater als auch eine leibliche Mutter hatte; sie verneinten auch völlig das Sakrament der Taufe und des Abendmahls und das der Wiederauferstehung des Körpers …“

In diesem Text finden sich einige fundamentale Elemente des katharischen Gedankenguts. Einerseits ist dort die Rede vom „schlechten Gott“, und andererseits werden die Sakramente und die Jungfräulichkeit der Mutter Jesu verneint. Was damals für Aufruhr sorgte, ist für die heutige, moderne Auffassung vollkommen akzeptabel.

Die Katharer haben das Konzept des „schlechten“ oder „bösen“ Gottes benutzt, um die Mission der Menschen leichter zu erklären. So ist der katharische Mythos vom Fall der Menschheit entstanden. Peire Mauri (auch Pierre Maury geschrieben) beschreibt ihn sehr viel später in seiner Aussage bei der Inquisition von Lerida:

„Und der Heilige Vater (i.e. Gott) sagte: Ihr werdet dem fremden Gott dienen in einem Land, das nicht das Eure ist, wo ihr Verzweiflung, Krankheit, Übel und Not haben werdet, in der fremden Welt; denn ihr werdet mit den Reichtümern nicht glücklich, die euch Satan gibt, soviel ihr auch davon bekommt. Derjenige, der sie besitzt, wird mehr davon haben wollen, und ihr werdet keine Rast noch ein Ende finden, bis ihr in mein Reich zurückgefunden habt. Denn die Welt besitzt keine Stabilität …

Als diese Geister vom Himmel fielen, nachdem sie Satan gefolgt waren, sahen sie, dass er ihnen nicht das hielt, was er ihnen versprochen hatte, und sie bereuten, dass sie den Heiligen Vater verlassen hatten. Sie begannen zu singen, das Lied der Lieder des Zions, wie sie es gewohnt waren, als sie beim Heiligen Vater waren.

Da sagte Satan zu ihnen: Ich werde euch auf die Erde des Vergessens tun, wo ihr vergessen werdet, was ihr in Zion sagtet und hattet! Und er machte ihnen Gewänder, das heißt, Körper der Erde des Vergessens.“

Nach dem katharischen Glauben hat der „böse Gott“ die Menschen zunächst verführt und dann in die Welt der Instabilität geführt. Als die Menschen sich über diesen Betrug klar wurden, hat er sie in die Gewänder des Vergessens gehüllt: Das sind die Körper aus Fleisch und Blut, die verhinderten, dass sie sich ihres göttlichen Ursprungs erinnerten.

Das Hauptziel der Katharer war, den Menschen das „Wissen vom Guten“ zu bringen, das ihnen erlaubte, sich wieder daran zu erinnern, wer sie waren und woher sie kamen. Sie meinten, es sei ihre Aufgabe, den Menschen zu helfen, ihren Zustand der Vergessenheit zu verlassen, sich ihres Ursprungs zu erinnern und den Weg zurück ins verlorene Paradies zu gehen.

Um diese Mission zu erfüllen, predigten sie in den Dörfern und Städten, den Schlössern und Ortschaften, auf den Märkten und in den Kirchen, überall wo sie Menschen begegneten, die bereit waren, ihnen zuzuhören.

Kirche in Vals L'église rupestre

Romanische Kirche in Vals L’église rupestre

So, nun ist es genug mit den Katharern, zumal am Ziel der heutigen Episode noch ein weitere Geschichtslektion wartet. Doch zunächst einmal geht es weiter entlang dem Pyrenäenrand nach Westen. Einen kleinen Abstecher mache ich nach Vals, einem winzigen, landwirtschaftlich geprägten Dorf mit einer, wie es scheint, großen Vergangenheit. Dort liegt unter einem Felswand und in diese hineingebaut und sie teilweise nutzend, eine romanische Kirche aus dem elften bis zwölften Jahrhundert. Fresken an Wand und Decke des Chors zeigen, wie ein ausliegendes Faltblatt erläutert, katalanische Einflüsse von jenseits der Pyrenäen. Ein Großteil ist leider nur schlecht erhalten, aber zwei fast unversehrte Heilige blicken uns ernst an. Der eine hält den Kreuzstab in den Händen, der andere hat die Hand zum Segnungsgestus erhoben. Drei ausgestreckte Finger symbolisieren die göttliche Dreifaltigkeit, zwei gekrümmt zurückweisende die Doppelnatur Christi als Mensch und Gott. Alles hier in dieser winzigen Kirche ist mit Bedeutung aufgeladen. Der kleine Ort, in dem sie scheinbar gottverlassen steht, ist in die Welt des Abendlands und seiner Traditionen eingebunden.

Fresko in Vals L'église rupestre

Fresko in Vals L’église rupestre

Das kleine Städtchen St. Jean Pied de Port am Rand der Pyrenäen liegt bereits im Béarn, der Heimat König Heinrichs IV. Es ist der traditionelle Treffpunkt verschiedener Pilgerwege nach Santiago de Compostela, die sich hier vereinigen. Ich will Hape Kerkeling keine Konkurrenz machen und keinen weiteren Bericht über meine spirituellen und sonstigen Erlebnisse auf dem Weg zum Grab des Apostels Paulus schreiben. Versprochen! Nur gelegentlich, wenn es sich gar nicht vermeiden lässt, werde ich mich auf die Mode gewordene Pilgerei beziehen, und eine erste Gelegenheit ist jetzt gekommen. In St. Jean de Pied de Port geht es zu wie auf dem Jahrmarkt. Pilger in traditioneller Aufmachung mit Schlapphut und Pilgerstab, Radfahrer in Rennkleidung, Männer und Frauen in Bermudashorts, Alte, Junge, Dicke, Dünne, Große, Kleine, Gelbe, Braune, Schwarze, Weiße, Amerikaner und Engländer, Franzosen, Deutsche und Skandinavier, Japaner, Chinesen, Kaukasier und – vermutliche christliche, aber das ist nicht sicher – Araber und sonstige Vertreter der Spezies Mensch sitzen in den Cafés und Restaurants der Stadt, um sich für den kräftezehrenden Aufstieg zur Passhöhe von Valcarlos noch einmal zu stärken, und in den zahllosen Andenkenläden mit allerlei Pilgerkitsch brummt das Geschäft.

Baskisches Dorf

Baskisches Dorf

Mich trägt mein Auto die Straße hinauf nach Valcarlos, die sich, so heißt es ja wohl, ins spanische Valcarlos windet und quält. Die Dörfer und Örtchen links und rechts der Straße sehen jetzt anders aus. Die Häuser unter hellroten Ziegel- oder auch grauen Steindächern verraten mit ihren weiß gekalkten Mauern mit den Eck-„Rustizierungen“ – grob behauenen Steinkanten –, mit Fachwerk, hölzernen oder schmiedeeisernen Balkonen und ochsenblutfarbigen Fensterläden, dass wir hier bereits im Baskenland sind. Zwar gehört das Béarn im ehemaligen Niedernavarra ebenso wenig wie die spanische Provinz Navarra zu den amtlich anerkannten baskischen Provinzen – zwei in Frankreich, drei in Spanien –, aber viele Menschen dies- und jenseits der Grenze sehen das ganz anders.

Erschöpft von einer langen Fahrt erreiche ich Roncesvalles, wo Karls des Großen Paladin, Markgraf Roland, den Tod fand. Doch davon das nächste Mal mehr. Für heute verabschiede ich mich von meinen Lesern und gönne mir eine Nacht in der Herberge von Roncesvalles.

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