Das Ensemble reflexion K verband Poesie und Neue Musik

Von Jörg Meyer

Eckernförde. Mit der Uraufführung von Gerald Eckerts neuester Komposition „Gestade in Fernen“ landete das Ensemble reflexion K beim diesjährig zweiten Konzert in der Reihe Neue Musik Eckernförde in der Nicolai-Kirche einen echten Coup: eine Stunde klangliches Gleichmaß, in dem sich doch sekündlich sehr viel tut, zumal im Verein mit der Poesie William Butler Yeats’.

Beatrix Wagner vom Ensemble reflexion K (links) erklärt Zuhörerinnen ihr neues Instrument, das Hackbrett. (Foto: ögyr)

Beatrix Wagner vom Ensemble reflexion K (links) erklärt Zuhörerinnen ihr neues Instrument, das Hackbrett. (Foto: ögyr)

Ungewohnt schon, dass Beatrix Wagner diesmal ihre Flöten gegen das Hackbrett und märchen- und mädchenhaften Gesang tauscht – in Walter Zimmermanns Vertonung des Gedichts „Das Gras der Kindheit“ des syrischen Dichters Fuad Rifka. Als Strophenlied kommt dieser Monolog über Vergangenes und Zukünftiges nur scheinbar daher. Eher ist er zeitlos, wenn Wagner den Refrain auf dem Hackbrett wie auf einer arabischen Oud „klöppelt“. Die „Zeit der Liebe“ (und der Kindheit), die Rifka aufruft, ist eine ewige Wiederkehr der Sehnsucht. Nicht anders in den Gedichten des irischen Nobelpreisträgers William Butler Yeats, die Andrea Paluch zusammen mit Robert Habeck neu übersetzt hat und in jener Strenge des Gleichmaßes – oder auch Gleichgewichtes – zwischen und in den Musiken rezitiert.

Seltene Erden, seltene Klänge …

Wie Gleichmaß und -gewicht ständig in Bewegung sind, zeigt auch Gerald Eckerts elektronische Komposition namens „Cer“, jenes Element, dessen Seltenheit und Seltsamkeit gleichwohl weltmächtig ist, seit man es wie andere „seltene Erden“ für die Produktion von Handys ausbeutet und dabei ganze Landstriche zur Leere verheert. Leere ist indes ein Ort der Poesie, bei Yeats wie bei Eckert, der in „Nen IV“ dem buddhistischen Begriff der füllehaften Leere nachspürt oder in „Prisma – du fond d’un naufrage“ ein Sample aus Monteverdis Oper „L’Orfeo“, so verformt, dass es in andere Bewegung gerät.

Orpheus, der alte Sänger logischer und lyrischer Lieder

Das Ensemble reflexion K (v.l. Rezitatorin Andrea Paluch, Beatrix Wagner, Gerald Eckert, Burkart Zeller) ließ Poesie auf Neue Musik treffen. (Foto: ögyr)

Das Ensemble reflexion K (v.l. Rezitatorin Andrea Paluch, Beatrix Wagner, Gerald Eckert, Burkart Zeller) ließ Poesie auf Neue Musik treffen. (Foto: ögyr)

Logisch erscheint darin auch, dass der Sänger Orpheus ein Wanderer ist, der wie Yeats aus sich verzehrender Sehnsucht neue Horizonte der Liebe und Lieder sucht – ohne sie je zu finden. Zu „Gestade in Fernen“, die Gerald Eckert von den hier uraufgeführten 60 auf 90 Minuten anwachsen lassen will, sagt der Komponist: „Das ist ein Monolith in ständiger Bewegung, ein unterwegs Sein, kein Ankommen, wie ja der Horizont immer in der Ferne bleibt.“ Solches dichtet auch Yeats, wenn er sich „für das Kunstgebilde der Ewigkeit bereit“ macht, wenn in seiner Poesie wie in Eckerts Musik „Vergangenheit, Vergehen und Werden“ in Gleichmaß und Bewegung sind.