Wolfgang Börnsen, Vorsitzender des Niederdeutschen Bühnenbundes S-H, erläutert die Situation des Plattdeutschen Theaters im Lande

Von Holger Förster

Flensburg. Die Sommerpause dient vielen Theatermachern zur Erholung, aber auch zur intensiven Vorbereitung auf die nächste Spielzeit. Das gilt für die großen Bühnen ebenso wie für die vielen kleinen Amateurtheater. Eine große Zahl von ihnen pflegt auf ihren Bühnen die Plattdeutsche Sprache. Organisiert sind sie im Niederdeutschen Bühnenbund Schleswig-Holstein, dessen Vorsitzender Wolfgang Börnsen ist. Der ehemalige Flensburger CDU-Bundestagsabgeordnete sprach mit unserem Gastautor Holger Förster über die Bedeutung und die Chancen des „Platt-Theaters“.

Wolfgang Börsen leitet den Niederdeutschen Bühnenbund S-H, dem 15 Theater angehören. (Foto Karsten Sörensen)

Wolfgang Börnsen, Vorsitzender des  Niederdeutschen Bühnenbundes S-H. (Foto Karsten Sörensen)

Seit fast zwei Jahren sind die Niederdeutschen Amateurtheater anerkannt als besonders schützenswertes „Immaterielles Kulturgut“ der Bundesrepublik Deutschland. Was hat sich dadurch für die Niederdeutschen Bühnen in Schleswig-Holstein geändert?

Die Initiative für das Niederdeutsche Theater als nationales UNESCO-Weltkulturerbe ging von unserem Bühnenbund in S-H aus. Umgesetzt wurde sie von allen Bühnen Norddeutschlands. Dem „Platt-Theater“ hat, anerkanntes Kulturgut zu sein, mehr Aufmerksamkeit, mehr Besucher und mehr Anerkennung gebracht.
Mit guten Auswirkungen. Denn der Niederdeutsche Bühnenbund hat 2015/2016 eine der erfolgreichsten Theaterzeiten der vergangenen 15 Jahre erfahren. Über 130 000 Tokiekers, 75 Premieren und eine Plattdeutsches Kindertheater-Festival mit 13 Aufführungen und 260 lütten Tokiekers. Alles geleistet von „nur“ 15 Mitgliedsbühnen, die ehrenamtlich tätig sind. Zwölf Bühnen haben „eigene“ Häuser, drei arbeiten als Wanderbühnen.

Kultur ist Ländersache. Einerseits bekennt sich die Landesregierung zur Förderung der Niederdeutschen Sprache, andererseits will sie das Institut für Niederdeutsche Sprache schließen. Fühlen Sie einen ausreichenden Rückhalt des Landes für die Arbeit des Bühnenbundes?

Für uns in Schleswig-Holstein hat es in den vergangenen fünf Jahren zumindest keine Kürzung der Fördermittel gegeben. Im Gegenteil: Für unser Kindertheater in Molfsee gab es eine Sonderunterstützung. Trotzdem bleibt das Niederdeutsche Theater mit etwa 4200 Spielgruppen allein in Norddeutschland Stiefkind der kulturellen Förderung. Die großen professionellen Bühnen in Deutschland erhalten 99 Prozent aller öffentlichen Mittel, die Tausende von Amateur- und Mundart-Spielgruppen nicht einmal ein Prozent!

Großen Erfolg bei der Nachwuchsförderung hatte die Niederdeutsche Bühne Kiel mit einem offenen Casting. (Foto Eisenkrätzer)

Großen Erfolg in der Nachwuchsförderung hatte die Niederdeutsche Bühne Kiel mit einem offenen Casting auch bei der Jugend. (Foto Eisenkrätzer)

Während die regionalen Medien und auch die Landespresse unsere Theaterarbeit aufmerksam begleitet, ist das Niederdeutsche Bühnenspiel bei den TV-Medien nicht im Focus. Auch das Kulturerbe hat daran nichts geändert, obwohl es über drei Millionen Norddeutsche gibt, die platt sprechen, und fast sieben Millionen, die es verstehen. Es würde uns sehr helfen, wenn die Verantwortlichen in den Fernsehräten sich endlich dieser Thematik der Kulturförderung annehmen würden!

Die Amateurtheater werden nur dann eine Zukunft haben, wenn es ihnen gelingt, Kinder und Jugendliche für die Niederdeutsche Sprache und das Theaterspiel zu begeistern. Trotzdem gibt es nur vereinzelte Jugendbühnen im Land. Warum tut der Bühnenbund nicht mehr für die Jugendarbeit und die Nachwuchsförderung?

Mit dem „Kulturgut-Status“ haben wir den Schwerpunkt auf das Jugend- und Kindertheater gesetzt. Gab es im Jahre 2010 nur eine Bühne mit einer Nachwuchsgruppe, so sind es aktuell sechs und zwei weitere bereiten eine Gründung vor. In diesem Herbst werden wir, wenn die Bühnenleiter mitmachen, eine Jugendbühne in unseren Bund aufnehmen.

Junge Theaterspieler auf der Bühne: „Krawall in´t All“ beider NDB Preetz. (Foto H. Förster)

Junge Theaterspieler auf der Bühne: „Krawall in´t All“ bei der NDB Preetz. (Foto H. Förster)

Häufig wird mundartliches Theater mit Klamauk und platter Situationskomik gleichgesetzt. Qualitativ hochwertige Stücke gelten landläufig als Ausnahme. Ist eine Qualitätsoffensive nötig?

Die Frage nach der Theaterqualität ist durchaus berechtigt. Die Bühnen spielen professionell, kreativ und erfolgreich. Doch was die Auswahl der Stücke angeht überwiegen die Komödien. Tragische, auch politische Stoffe kommen zu kurz. Auch gibt es zu viele Übersetzungen aus anderen Kulturräumen, die den Nerv unserer Tokiekers nicht immer treffen. Deshalb hat unser Bühnenbund dieses Jahr noch einmal den Konrad Hansen Autorenpreis ausgeschrieben gehabt. Insgesamt gab es 40 Einsendungen, auch viele junge Autorinnen und Autoren gehörten dazu. Ein guter und nachhaltiger Erfolg, weil damit auch unsere Mitgliedsbühnen Stücke in ihre Theaterarbeit aufnehmen können, die orientiert an der Gegenwart und deren Herausforderungen sind.

Zum Abschluss des Gesprächs haben Sie drei Wünsche an die gute Theaterfee frei. Welche sind das?

Meine Wünsche an die Theaterfee: Unterstützung bei dem Projekt eine Theater-Schule (Werkstatt) für junge Regisseure einzurichten, auch bei der Erstellung eines Katasters über die „Niederdeutsche Theaterszene“ in Schleswig-Holstein und ein langes, fröhliches und erfülltes Leben für die Bühnenleiter und -vorstände – ohne sie geht es nicht.