Das Literaturfest Schweiz im Alten Botanischen Garten

Von Hannes Hansen

Kiel. Seit Jahren schon wird im Rahmen des vom Literaturbüro Schleswig-Holstein landesweit ausgerufenen Literatursommers im Alten Botanischen Garten Kiels ein Literaturfest gefeiert. Zum diesjährigen Themenschwerpunkt Schweiz hatte Literaturhausmitarbeiterin Sara Dušanić die Züricher Romanautorin Dana Grigorcea und den Graubündner Arno Camenisch eingeladen. Zu ihnen gesellten sich mit dem Eutiner Wolfgang Griep und dem in Berlin lebenden Christian Kaiser ein schleswig-holsteinischer Autor und ein Schweizer Schauspieler.

Ein zwiespältiger Eindruck

Was dieses Quartett am Freitagabend an literarischen Kostproben anbot, hinterließ, um es freundlich auszudrücken, einen eher zwiespältigen Eindruck. Das Programm bewegte sich außerordentlich eventkompatibel zwischen Witz, Langatmigkeit, Spannung und Klischee.

Spannung pur

Wolfgang Griep Foto Literaturhaus S-H

Wolfgang Griep
(Foto: Literaturhaus S-H)

Für die Spannung sorgten Wolfgang Griep und Christian Kaiser mit einer szenischen Lesung „Der Wettlauf zum Gipfel des Matterhorn“, in der Wolfgang Griep das tragische Geschehen bei der der Erstbesteigung des ikonischen Schweizer Berges schildert und in Augenzeugenberichten lebendig werden lässt. Zwar mussten Autor und Schauspieler sich bei ihrem Auftritt auf den Anfang und das Ende der Dokumentar- und Erzählcollage beschränken, doch die Ereignisse beim Abstieg vom Gipfel, bei dem vier der Bergsteiger aus der achtköpfigen Truppe des Engländers Edward Whymper um Leben kamen, ließ sich aus der Zeugenbefragung durch den Richter (Wolfgang Griep) erschließen.

Christian Kaiser Foto Janine Guldener 2014 agentur-kerstin.de

Christian Kaiser
(Foto: Janine Guldener 2014,
agentur-kerstin.de)

Eine Zeugenbefragung, bei der Christian Kaiser als Bergführer Peter Taugwalder, den man zunächst für den Tod der vier Engländer verantwortlich machte, später aber rehabilitierte, zu echauffierter Höchstform auflief.

Satirische Langatmigkeit und lustiges Klischee

Solch Lust auf mehr machende Spannung verbreiteten Dana Grigorcea und Arno Camenisch nicht. Dafür ging es lustig und munter zu. Die in Zürich lebende gebürtige Rumänin lässt ihre Heldin in das kommunistische Rumänien ihrer Kindheit zurückkehren und dabei –probates Mittel der Erinnerungsliteratur – das Einst mit dem Heute vergleichen. Dass beide dabei nicht sonderlich gut abschneiden, ist bei dem Kontrast von Steinzeitkommunismus und Cäsarenwahn auf der einen Seite und korruptem Turbokapitalismus auf der anderen nicht weiter verwunderlich und fordert zu satirischer Überspitzung geradezu heraus. Doch leider kommt die Satire zwar recht witzig, aber auch reichlich langatmig daher. Zudem darf bezweifelt werden, ob das Leben zu Zeiten Ceauşescus wirklich so viel Anlass zu Gelächter bot, wie der Text suggeriert.

Foto Bresso Carton

Arno Camenisch und Dana Grigorcea (Foto: Bresso Carton)

Witzig geht es auch in Arno Camenischs Romanen und vor allem bei seinem Auftritt als Literaturentertainer zu. In „Die Kur“ lässt er ein in vielen Ehejahren sich aneinander noch immer nicht glatt geriebenes Ehepaar einen Kururlaub in einem Nobelhotel antreten, den sie in einem Preisausschreiben gewonnen haben. Er will gar nicht erst los, sondern lieber zu Hause fernsehen, sie erhofft sich eine Revitalisierung. Abgestumpfter Zynismus trifft auf altjüngferlich-naive Begeisterung. Die muntere Vortragsweise und der von Situationskomik geprägte Erzählton Arno Camenischs, der auch Kostproben seiner Literatur in seiner Muttersprache Rätoromanisch zum Besten gab, ließen fast vergessen, dass sich das Leben seiner tragikomischen Antihelden weitgehend im Klischee abspielt.