Mit einer großen Übersichtsausstellung unter dem Titel „Harald Duwe. Heile Welt“ ehrt das Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte auf Schloss Gottorf den unvergessenen Kieler Maler Harald Duwe.
Von Hannes Hansen
Gottorf. Das Riesengemälde, das eine Wand in der Reithalle des Landesmuseums Schloss Gottorf beherrscht, zeigt einen grinsenden Präsidenten Johnson mit Cowboyhut und einen Affen auf Krücken mit Kruzifix in der Hand. Ein Mann, der mit offenem Munde brüllend einem auf dem Boden Liegenden ins Gesicht tritt, und eine Freiheitsstatue als Pornomodell mit Totenschädel und Automatikgewehr in der Hand, die die Freiheitsfackel wie eine Keule schwingt, vervollständigen Harald Duwes „Große USA-Allegorie“ aus dem Todesjahr des 1926 in Hamburg geborenen und 1984 verstorbenen Kieler Malers und Lehrers an der Muthesius Kunsthochschule. Das Bild fasst wie unter der Lupe noch einmal zusammen, was der Hauptantrieb für seine Kunst war: die Auseinandersetzung mit und die Kritik an einer als unheil empfundenen Welt.
Die collagenhafte Zusammenstellung von Versatzstücken ist kein billiger Antiamerikanismus, sondern die überzeichnende Zuspitzung als Höhepunkt einer schonungslosen malerischen Analyse eines gesellschaftlichen Zustands und ihres Gewaltpotentials. Sie nimmt noch einmal eines der großen Themen der abendländischen Kunst auf, die Allegorie als Bild gewordene symbolische Darstellung des Schreckens in der Tradition von Dürers Holzschnitt „Die Apokalyptischen Reiter“ oder Max Beckmanns „Die Nacht“.
Die von Christian Walda wohlüberlegt kuratierte Gottorfer Ausstellung mit dem sarkastischen Titel „Harald Duwe. Heile Welt“ konzentriert sich auf die politischen und gesellschaftlichen Aspekte der Kunst des engagierten Sozialdemokraten Harald Duwe, der sich einst im Wahlkampf – lang ist es her – ohne den Rückgriff auf platte Agitprop-Kunst für den „roten Jochen“ Steffen einsetzte. Ein Bild wie die in blaugrauen, unnatürlichen „Todesfarben“ gemalte „Graue Wand“ aus dem Jahr 1968 zeigt seine Reaktion auf den Auschwitz-Prozess in den Formen eines übersteigerten, zeichenhaften Realismus; eine ähnlich schonungslos gemalte anonyme „Frau im Plastikstuhl“ aus dem gleichen Jahr lässt Parallelen zu einer nur allzu gern als überwunden geglaubten Vergangenheit erahnen, die weder tot noch auch nur vergangen ist.
Kühler, emotionsloser, aber nicht weniger beißend kritisch ist ein Gemälde von 1971. Die Szene „Camping“ präsentiert in geradezu hinterfotziger Manier einen verfetteten Mann, dessen einziges Interesse Wohlstandssymbole wie Auto, Kofferradio und Bier zu sein scheinen. Ein Bild, das keiner Deutung bedarf.
In solchen Bildern offenbart sich ein Realismus, der je nach Sujet und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zwischen expressiven, übersteigerten Bildfindungen und kühler Sachlichkeit wechselt. Im „Selbstporträt mit Mütze“ aus dem Todesjahr blickt der Maler den Betrachter forschend an. Der Blick ist ebenso auf die äußere Welt wie auf sich selbst gerichtet, eine Befragung nach der eigenen Person und ihrem Platz in der Welt.
Dass die Anfänge milder, freundlicher, ja konventioneller waren, zeigt ein mit breiten, flächenhaften Pinselstrichen gemaltes Bild von 1953. Mit „An der Elbe mit Dampfer“ könnte Harald Duwe mühelos als „Norddeutscher Realist“ avant la lettre reüssieren.
Fazit: Mit der Selbstbezeichnung als „guter Hamburger Maler aus der dritten Reihe“, von der ein Schüler berichtet, tut sich Harald Duwe unrecht.
Schloss Gottorf: „Harald Duwe. Heile Welt“. Bis 30. Oktober in der Reithalle. Montag bis Freitag 10 bis 17 Uhr. Sonnabend und Sonntag 10 bis 18 Uhr. Katalog (sehr empfehlenswert): 24 Euro.
17. August 2016 um 12:54
Ein toller Maler, aber sooo sehr bedrückend.