Der Dirigent Christoph Eschenbach arbeitet mit dem SHMF-Orchester an „letzten Werken“ von Haydn und Bruckner

Interview: Andreas Guballa

Büdelsdorf. Er ist ein Ausnahmekünstler: Vom internationalen Pianisten-Star stieg Christoph Eschenbach zum weltweit gefragten Dirigenten auf. Seit 2004 ist er Principal Conductor des Schleswig-Holstein Festival Orchesters. Jetzt leitet er wieder eine Probenphase des von ihm geschätzten jungen Ensembles und studiert in der Büdelsdorfer ACO Thormannhalle zwei Kompositionen ein, die als „letzte Werke“ gelten: Joseph Haydns „Sinfonie D-Dur Hob. I:104“ und Anton Bruckners „Sinfonie Nr. 9 d-Moll“. Mit Andreas Guballa sprach der 76-Jährige über seine Arbeit mit den unterschiedlichen Orchestern und seine nächsten Pläne.

Sie haben Ihre Laufbahn als Pianist begonnen. Hat das Ihre Pultkarriere beeinflusst? Oder würden Sie heute anders dirigieren, wenn Sie nicht als Pianist angefangen hätten?

Arbeitet gegenwärtig wieder mit „seinem" SHMF-Orchester: Christoph Eschenbach. (Foto Eric Brissaut/SHMF

Arbeitet gegenwärtig wieder mit „seinem“ SHMF-Orchester: Christoph Eschenbach. (Foto: Eric Brissaut/SHMF)

Drehen wir die Frage mal um. Ich habe immer versucht, auf dem Klavier Orchester zu spielen und es singen zu lassen. Man sollte nicht hören, dass es eigentlich nur aus Stahlsaiten und einem Holzgerüst besteht. Insofern bin ich früh in die Subtilitäten der Instrumentation eingedrungen. So hat sich beides verschmolzen. Aber ich spiele seit über 30 Jahren keine Klavierabende mehr, weil ich keine Zeit habe, mir neues solistisches Repertoire anzueignen. Auch wenn ich hier und da eine Ausnahme mache, sind das fünf Prozent meiner Tätigkeit.

Zurück zum Dirigenten Christoph Eschenbach. Sie haben sechs Jahre lang das NDR Sinfonieorchester geleitet und übernahmen 2010 die künstlerische Leitung des National Symphony Orchestra in Washington. Gibt es Unterschiede in der Orchester-Klangkultur jenseits und diesseits des Atlantiks.

Früher sagte man, dass die amerikanischen Orchester sehr brillant seien, aber kühl. Und die europäischen Klangkörper wärmer spielten, aber dafür nicht so präzise. Das hat sich sehr gewandelt durch die vielen Orchestertourneen. Insofern ist es ein Spaß, mit beiden zu musizieren.

Seit 2004 leiten Sie die Orchesterakademie des SHMF. Wie wichtig ist Ihnen die Zusammenarbeit mit jungen Musikern?

Es ist eine wunderbare Sache, dass junge Musiker aus 30 Nationen zusammenkommen und innerhalb von ein paar Tagen schon miteinander harmonieren. Egal, aus was für Schmieden und Ländern sie kommen oder welche Mentalitäten sie haben. Nach wenigen Tagen sind sie ein musikalischer Körper geworden und gehen mit einem unglaublichen Enthusiasmus und großer Frische an den Start. Das macht einen Riesenspaß.

Sie können auf eine langjährige Karriere zurückblicken. Was sind für Sie unvergessliche Momente?

George Sell und Herbert von Karajan waren große Mentoren zu Beginn meiner Pianisten-Karriere. Ich durfte mit ihnen arbeiten und sie um Rat fragen. Und sie haben mir wertvolle Ratschläge gegeben.

Sie haben im letzten Jahr Ihren 75. Geburstag gefeiert. Ist Alter ein Thema für Sie?

Alter wird dann nicht mehr zum Thema, wenn man sich der Musik hingibt. Musik hält einen jung und lässt einen das Alter vergessen. Das ist die beste Medizin.

Gibt es noch Pläne und Herausforderungen, die Sie in den nächsten Jahren angehen wollen?

Ich mache sehr viel Neue Musik und zahlreiche Uraufführungen mit meinem Orchester in Washington. Die Neue Musik bleibt eine große Komponente in meinem Leben. Darüber hinaus gibt es einige Komponisten, zu denen ich spät gekommen bin, aber deren Tür sich sehr weit geöffnet hat in den letzten Jahren – wie Schostakowich und Sibelius. Gerade im Repertoire des 20. Jahrhunderts.

Öffentliche Proben in der ACO Thormannhalle in Büdelsdorf: heute (Mittwoch) und morgen (Donnerstag) 10 – 13, 16 – 19 Uhr; Freitag, 10 – 13 Uhr. Öffentliche Generalprobe: Freitag, 20 Uhr. Konzert: Sonnabend, 20 Uhr, Laeiszhalle, Hamburg (Restkarten).
Info und Karten: www.shmf.de