The Real Group ließ sich vom Ambiente der Eutiner Freilichtbühne inspirieren
Von Jörg Meyer
Eutin. Ein wenig an ihre schwedische Heimat erinnert The Real Group die Freilichtbühne am Großen Eutiner See. Ein „wundervoller Ort am Wasser wie geschaffen für unsere Musik“ sei das, freut sich Emma Nilsdotter, Sopranistin des A cappella-Quintetts, das im letzten Jahr sein 30. Bühnenjubiläum feierte und beim SHMF-Konzert vor fast ausverkauften Rängen sein Programm inhaltlich entsprechend „nah am Wasser baut“. Letzteres kam am Dienstag auch nicht mehr von oben, beste Bedingungen also, der Stimmpracht von Emma, der neuen Altistin Lisa Östergren, des aus Lettland stammenden Bass’ Jānis Strazdiņš, des dänischen Bariton Morten Vinther und Anders Edenroth, Tenor und einzig verbliebenes Gründungsmitglied, in der lauen Sommernacht zu lauschen.

Seit mehr als 30 Jahren berühmt für ihren A cappella-Sound: The Real Group (v.l.: Morten Vinther, Anders Edenroth, Lisa Östergren, Emma Nilsdotter, Jānis Strazdiņš) (Foto: Mats Baecker)
Bekannt ist The Real Group für ihren homogenen Chorklang, der gleich im Opener „Bumble Bee“ summt und – fast zu uhrwerkig perfekt – schnurrt. Gefolgt vom „Primetime Blues“, der mit Anders’ und Jānis’ Beatbox poppige Wellen schlägt, und dem swingenden Dreiertakt in „Monicas Vals“, einer Adaption von Bill Evans’ „Waltz For Debby“. Das Fahrwasser zwischen inniger Close Harmony, quirligem Pop und cool schäumendem Jazz ist damit abgesteckt. So sanft wie die ruhigen Wasser des Sees im Hintergrund wird es in der Vertonung des Gedichts „En broder mer“ aus der Feder des schwedischen Journalisten und Dichters Stig Dagerman, der in den späten 40er Jahren durch das zerstörte Deutschland reiste. „Ein hungriger Mann weniger bedeutet einen Bruder mehr“, heißt es darin – eine Botschaft der Menschlichkeit, mit der sich The Real Group auch politisch positioniert. Was für die Hungrigen gilt, passt ebenso auf die Durstigen dieser Welt, mit denen und dem Song „Water“ sie in den leidenschaftlichen Appell für „sauberes Trinkwasser für alle“ einstimmt.
Aber auch das Herz dürstet und ist nah am Wasser gebaut. Nach solchem werfen die fabelhaften Fünf in bezaubernden Balladen wie Frank Sinatras „Cycles“ oder der Eigenkomposition „Catching The Big Fish“ ihre Klangangeln aus. Und werden märchenhaft im lettischen Folksong „Tumša Nakte“ („Dunkle Nacht“), wo sie die Nebel über baltischen Wäldern buchstäblich hauchen lassen, denn auch auf den Einsatz ihrer Stimmen als Geräusch verstehen sie sich.
Doch nicht nur Tränen romantischer Rührung bringt The Real Group in Fluss. Mit Michael Jacksons „Bad“ und dem flink gescatteten Barbershop-Arrangement „Pass Me The Jazz“ werden auch manche Tanzbeine durchflutet. Tanzen kann man zwar nicht wirklich im Freilichtrund, aber wohl innerlich zu George Michaels Pop-Klassiker „Freedom“, mit dem und somit wiederum einem politischen Appell The Real Group das Konzert beschließt. Nicht ohne Zugabe, die titelt, was das viel Beifall spendende Publikum jetzt empfindet: „Hard To Say Good Bye“ – zur Real Group wie zum jüngst verstorbenen Toots Thielemans, dessen Mundharmonika-Spiel sie damit ein kongeniales Tränchen nachweint.
25. August 2016 um 15:53
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