Beim 5. Festival am kleinen Strand wurde gegen rechtes Gedankengut musiziert und getanzt
Von Jörg Meyer
Kiel. „Am Grunde der Moldau wandern die Steine … Es wechseln die Zeiten. Die riesigen Pläne der Mächtigen kommen am Ende zum Halt“, dichtete Brecht einst ein Arbeiterlied, das beim Berliner Hip-Hop-Trio um Kobito als Sample aktuellste Urständ feiert. Auch das 5. Festival am kleinen Strand, veranstaltet vom Kieler Anstatt e.V., bezog unter dem Motto „No Nation – Just People!“ Stellung gegen Fremdenhass und Rechtspopulismus.
„Hinsehen, Hinhören, Einmischen – Fight Racism“, steht auf dem Poster am Bühnenrand. Wie man das macht, kann man am abends ziemlich „gecrowdeten“ Skagerakufer live erleben. Aber auch schon am späten Nachmittag, wo die Kieler „Funk-Hop“-Band um Herrn Bösel noch kräftiger einheizt als der Spätsommer, der an der Förde mediterranes und ein wenig Woodstock-Feeling entfaltet. Während der Soundchecks für die neun Bands von Sergeant Dystopia bis Soulfire Hifi, die hier gegen Rassismus aufspielen, greifen spontan Flüchtlinge zu Gitarre und arabischer Oud. Einmal mehr ist die bereichernde Vielfalt der Kulturen, die zu uns kommen, erfahr- und tanzbar.
Das Kieler Trio Mood Change, eingesprungen für die erkrankte Finna, schwingt mit seinem „Indie-Punk-Garage-Postrock“ die Keule gegen Rechts, ruft zur Demo gegen den AfD-Landesparteitag in Rendsburg auf. So tagespolitisch verstehen die Kinder, die vor der Bühne schon mal Pogo üben, den Auftritt von Mood Change, die hier erst zum vierten Mal auf einer Bühne stehen, vermutlich nicht. Aber „schon mal das widerständige Rock’n’Roll-Feeling kennenzulernen, ist bestimmt nicht verkehrt“, meint eine Mutter, die nochmal das bunte Hippie-Kleid aus dem Schrank gezogen hat.
Wer Hippie ist – vielleicht in dritter Generation wird, macht sein oder ihr eigenes Ding. Wie das Berliner Elektro-Pop-Duo Tubbe. Begleitet an Live- und Drum’n’bassigen Elektro-Beats von Klaus, folgt Sängerin und Bassistin Steffi so gar nicht dem Credo „Wer braucht schon Worte, Poesie kann man klauen“. Sie singer/songwritet sie zu einer Lyrik des immer wieder Aufbruchs aus der verordneten Lethargie. „Alle Macht dem Risiko!“, skandiert sie mit ihrer sonoren Stimme und ruft so zur antikapitalistischen Revolte gegen die „riesigen Pläne der Mächtigen“ auf. „Keine Arbeit lieber tanzen“, so ihr Vorschlag vom gleich titelnden Album, das im September beim Hamburger Label Audiolith erscheint. Und wer mag da nicht einstimmen und mittanzen – zumal in diesem fördischen Fiesta-Ambiente?
Wo „alles in Bewegung“ ist, gerade jetzt, als Kobito und seine Kolleggas MisterMo und KaiKani losrappen. Als der Berliner MC in der Combo Schlagzeiln vor knapp zehn Jahren reüssierte, war er noch das Antidot gegen Homophobie und Rassismus der damals hippen Gangsta-Rapper. Diese Position des „eigentlich bin ich kein Rapper“ hat er kultiviert und bezieht jetzt Stellung gegen den die Menschen – einheimische wie zugezogene – zurichtenden Kapitalismus. „Ich führ’ ein Leben wie am Fließband, ich bin flexibel wie ein Mensch ohne Rückgrat“, heißt es in einem Text. Dass dem nicht so sein darf und bei genügend Menschen, die dagegen aufstehen, nicht so ist, spürt man am kleinen Strand, wo jede Lebensart ihre Berechtigung und ihren lebendigen Platz hat – ganz links vom gegenwärtigen Rechtsruck.
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