In der Kieler Stadtgalerie zeigt die Ausstellung „Passion – Fan-Verhalten und Kunst“ künstlerische Reaktionen auf ein Massenphänomen

Von Hannes Hansen

Kiel. Bei über siebzig beteiligten Künstlern und einer enormen Vielfalt künstlerischer Reaktionen auf das Massenphänomen der Fankultur kann jedem Besucher der Ausstellung „Passion – Fan-Verhalten und Kunst“ nur angeraten werden, bei einem ersten Besuch auf jeden Vollständigkeitsanspruch zu verzichten. Er sollte durch die Räume der Kieler Stadtgalerie schlendern, hier stehen bleiben, dort verweilen; und wiederkommen, um Bilder zu betrachten, Texte zu lesen, Schallplattencover zu bewundern oder auf Robert Lippoks Marimba-Stäben mit den aufgedruckten Worten der Bohemian Rhapsody das magische Stück der Gruppe Queen aus dem Jahre 1975 nachzuspielen.

Susanne Bürner, „Fifty-thousand can’t be wrong“

Susanne Bürner: „Fifty-thousand can’t be wrong“

Was die Kuratoren Christoph Tanner, Chef des Berliner Künstlerhauses Bethanien, und seine Mitarbeiterin Miriam Barnitz an künstlerischen Positionen zur Fankultur – ganz überwiegend in der Rock- und Popmusik – ausgegraben und zusammengestellt haben, ist eine kaleidoskopartige Schau, in der für jeden Geschmack etwas zu finden ist. Das können Susanne Bürners Fotos kreischender Fans der Serie „Fifty-thousand can’t be wrong“ sein oder Sara Schönfelds ebenso skurrile wie leicht anzügliche Installation „I can’t get no satisfaction“ aus einem Fön und einer Sektflasche auf je einem Mikrofonständer. Der Fön pustet eine heißen Luftstrom in die Flasche, die daraufhin wohlig zu brummen anfängt. Honi soit qui mal y pense.

Julia Herbster, „Girl Rock“

Julia Herbster: „Girl Rock“

Mit dem Buchobjekt „Girl Rock“ spielt Julia Herbster verschmitzt mit Agentenphantasien, Ex-„Mülheimer Freiheit“-Mitglied Walter Dahn („Punk is the sound of my soul“) verwebt Songtexte und Fotocollagen, der amerikanische Künstlerstar Raymond Pettibon entwirft Plattenhüllen für Punkbands, und eine Collage aus der Sammlung Burmeister versammelt die absurden Bemühungen der Stasi, die Fans von Depeche Mode von allzu heftigen Beifallskundgebungen für den Klassenfeind abzuhalten, als der im Jahre 1988 in der DDR ein umjubeltes Konzert gibt.

Skurrilitäten stehen also neben schwergewichtigen politischen Positionen, Privates neben Öffentlichem, schlichte Dokumentation neben verzwickten Assoziationsangeboten. Einen roten Faden sucht man in der Ausstellung „Passion“, die nach Berlin, Nürnberg und Budapest in Kiel ihre vierte und letzte Station hat, vergeblich. Dafür bietet sie Gelegenheiten zum vergnügten Schmunzeln ebenso wie zu ernsthafter Nachdenklichkeit oder überraschenden Aha-Erlebnissen. Kurz, Christoph Tanner und Miriam Barnitz schütten eine Wundertüte aus, in der sich für jeden Geschmack etwas findet.

Stadtgalerie Kiel, „Passion – Fan-Verhalten und Kunst“, Eröffnung, 16.9., 19 Uhr: Öffnungszeiten: Di + Mi 10-17 Uhr, Do 10-19 Uhr, Sa + So 11-17 Uhr, 3. Oktober (Tag der deutschen Einheit) 11-17 Uhr, Kieler Ateliertage am 8.10. + 9.10. 11-18 Uhr, 30.10. (museen-am-meer-Tag) 10 – 17 Uhr. Am 29.9., 13.10., 16.10., 20.10., 11.11. jeweils um 19 Uhr zeigt die Stadtgalerie im Kulturforum begleitende Filme. Programm: www.kiel.de/kultur/stadtgalerie/.