Joja Wendt begeisterte im Schloss mit seiner virtuosen Klavierakrobatik

Von Jörg Meyer

Kiel. Bei Rimski-Korsakows „Hummelflug“, der ersten von vier Zugaben, muss selbst die HD-Kamera kapitulieren, die Joja Wendts flinkes Fingerballett live auf die Leinwand projiziert. Die Bewegungen seiner Hände sind einfach zu schnell, als dass sie die Kamera noch einfangen könnte. Die Ovationen für solche Klavierakrobatik sind im Schloss stehende wie schon beim Presto aus Vivaldis „Sommer“ oder Albeniz’ „Asturias“, wo Wendt die vierhändige Klavierfassung auch mit nur zwei Händen souverän bewältigt.

Tastenakrobat Joja Wendt (Pressefoto)

Tastenakrobat Joja Wendt (Pressefoto)

Voll von solchen Tasten-Tricks ist sein neues Programm, das neben so virtuosen Kabinettstücken auch viele Eigenkompositionen enthält. „Panta Rhei“ heißt die erste, mit der er den Abend eröffnet. Scheinbar unendliche Skalen fließen und rauschen darin wie ein ungezähmter Wildbach, und die kraftvollen Bässe verleihen dem rhapsodischen Werk Lisztsche Dimensionen. Oder Rachmaninowsche, denn dessen cis-moll-Prélude verjazzt er gleich darauf zu einem ständig Haken schlagenden Boogie, an dessen Ende wieder ein typischer Wendt-Trick zum Einsatz kommt: die „Rachmaninow-Leiste“, eine Latte mit Holzstäben, die den Schlussakkord über sämtliche Oktaven des Klaviers ausdehnt.

Ein Tasten-Trickser war auch Art Tatum, den selbst Vladimir Horowitz um seine Fingerfertigkeit beneidete und, wie Joja erzählt, froh war, dass der „nur Jazz spielt, sonst würde er uns klassische Pianisten alle in den Schatten stellen“. Tja, Horowitz kannte Wendt noch nicht, der eben das nun besorgt – inklusive Abbinden der Armbanduhr mitten im Spiel. Derlei Tricks wirken zuweilen wie Virtuosentum um seiner selbst Willen, und Eigenkompositionen wie „Helix“ (eine musikalische Nachbildung der DNA) oder das von einer Reise nach China mitgebrachte „Saima“ mit verzwickten elf Achteln in einem Vierertakt muten etwas überkandidelt an. Ihrem Unterhaltungswert tut das freilich keinen Abbruch. Zumal wenn Joja das Publikum beteiligt, etwa den achtjährigen Daniel zu sich an die Tasten holt. Der kleine Mann ist fast so selbstsicher wie Joja und assistiert diesem spielfreudig bei der kleinen Horrorshow des „Geisterhaus“ auf Mini-Flügel versus dem berühmten hydraulisch tanzenden.

Auch sonst wird das Publikum über bloßes Mitklatschen hinaus eingebunden, untermalt die Regengeräusche im „Regen-Song“ oder bedient die Klingel im „Typewriter“. Und ist sich mit einem herzhaften „Moin Moin!“ mit dem Hamburger Wendt einig, dass nicht nur er, sondern wir alle hier im Norden „pures Dynamit“ sind.

Infos und Hörproben: www.jojawendt.de

Link: Joja Wendt über sein aktuelles Programm in der Talkshow „Bettina & Bommes“ (NDR) am 5.3.2016