Das Theaterensemble Wiederholungstäter feierte in der Pumpe Premiere mit „Die schwarze Flasche“
Von Jörg Meyer
Kiel. „Möchten Sie etwas Wein? Sie werden ihn brauchen“, schenkt die ebenso burschikose wie schon jetzt diabolisch wirkende Kellnerin dem Publikum im ausverkauften Roten Salon der Pumpe zur Premiere von „Die schwarze Flasche“ fleißig ein. Wohl wahr, mit einem guten Schluck geht der ebenso schwarzhumorige wie sperrige Einakter von Eduard von Keyserling in der modernisierten Fassung des neuen Kieler Theaterensembles Wiederholungstäter schon deutlich besser „runter“.

Das Ensemble Wiederholungstäter spielte Keyserlings „Die schwarze Flasche“ – (v.l.) Mira Awan als Kellnerin, Patrick Thoms als Max, Franzi Hauptmann als Milli (Foto: Wiederholungstäter)
Ist die geheimnisvolle schwarze Flasche, mit deren Inhalt sich der – zurecht – gescheiterte Poet Max zusammen mit seiner naiven, aber zugleich bauernschlauen Verlobten Milli in einem Landhotel aus dem Leben stehlen will, nun halb voll oder halb leer? Letzteres, möchte man meinen, denn die Wiederholungstäter hätten gut daran getan, Keyserlings Drama-Skizze – als mehr kann sie nicht gelten – in ihrer sprachlichen und dramaturgischen Verschrobenheit zu belassen. In der Modernisierung wird „Die schwarze Flasche“ nämlich eher leerer. Das fängt schon damit an, dass Patrick Thoms den verunglückten Poeten mit dem Bestätigung heischenden „Ja?“ nach jedem zweiten Satz nicht eben glaubwürdig in die Gegenwart holt. Auch Franzi Hauptmanns Milli wirkt nicht erst im Spiel ihrer Betrunkenheit vom finalen Schampus allzu „blond“, obwohl sie zu wissen scheint, mit was für einem dampfplaudernden Geist aus seiner Flasche sie sich da eingelassen hat.
Alles ein bisschen überdreht, zu große Gesten im Angesicht des Todes, als dessen kundige Botin und damit eigentliche Hauptdarstellerin sich die Kellnerin entpuppt. Mira Awan gibt ihr eine gewisse Tiefe, wenn sie in ironischer Mauerschau über die verhinderten Selbstmörder spottet, sich als „stiller Gast“ vor der Szene vieldeutig die Fingernägel schwarz lackiert (schöner Regie-Einfall auch der vierten im Wiederholungstäterbunde, Silja Rulle) und ihre eigene Lebensmüdigkeit am Ende wohl eher „in Zimmer 9“ in ewigen Schlaf verwandeln wird. Die schwarze Flasche jedenfalls taugt nicht dazu. Aber immerhin: Wenn die Kellnerin den Vorhang schließt, bleiben die großen Fragen nach Leben und Tod erfreulich offen. Und lassen hoffen, dass hier ein entwicklungsfähiges junges Ensemble erstmals die Kieler Bühne betrat.
Weitere Aufführungen: 15. und 22.10., Roter Salon in der Pumpe; 18.10. und 2.12. im Bunker D. Infos und Karten: wiederholungstaeter-kiel.tumblr.com.
7. Oktober 2016 um 15:46
Vielleicht überlas ich es, das sind doch Laien oder? Es ist ergo kein Theaterensemble sondern eine Laientheatergruppe.
Da gibt es einen Unterschied.
7. Oktober 2016 um 17:43
Ja, das sind Laien, aber durchaus theater-erfahren. Wenn man etwas nicht so gut bespricht, wird immer wieder gesagt, „naja, aber das sind doch nur Laien“. Dennoch nehme ich sie ernst, indem ich die Messlatte nicht zu tief ansetze. Ich denke, das möchte so ein junges Ensemble auch: ernst genommen werden, nicht bloß eine Gefälligkeitskritik, wo man drei Augen zudrückt.
7. Oktober 2016 um 20:10
Es ist aber für die Profis wichtig zu wissen, dass auch den Zuschauern ein Unterschied klar gemacht wird. Was nicht ausschließt, dass eine Laiengruppe eine absolute künstlerische Berechtigung hat.
Verwischen jedoch die Grenzen, ist so mancher Zuschauer nicht bereit, für Profis mehr Eintritt zu zahlen als für eine Laiengruppe. Der Unterschied jedoch ist, dass der Profi das gelernt hat und seine Miete damit zahlen muss. Es muss also eine Unterscheidung auch in der Kritik her.
Ich sage ja auch nicht, ich bin Tischler, wenn ich nach meiner Arbeit in den Hobbykeller gehe und ein nett ansehnliches Möbelstück baue. Dann bin ich ein begabter Hobby-/Laientischler. Der Beruf der Schauspieler ist leider nicht geschützt. Das müsste aber dringend erreicht werden.
Fakt ist ja, dass es kein Theaterensemble ist, sondern eine Gruppe von Laien, die Theater machen. Ich finde, die freien Theatermacher, also die, die es gelernt haben, haben es verdient.