George Brants Monolog „Am Boden“ schaut im Schauspiel-Studio in die Psyche einer Kampfdrohnenpilotin
Von Jörg Meyer
Kiel. „Sauberer“ soll der Krieg werden, weniger gefährlich für die Kampfpilotin, die statt ins Blau des Himmels über dem Schlachtfeld nur auf einen grauen Bildschirm starrt und ferngesteuert, aus sicherer Entfernung die „Schuldigen“ tötet. George Brant greift in seinem Monodrama „Am Boden“ das kontrovers diskutierte Thema von Kampfdrohneneinsätzen auf, und Julia Heinrichs bringt den Monolog mit Jennifer Böhm als Pilotin bestürzend nah auf den Bühnenboden des Studios im Schauspielhaus.
Ein „stilles graues Bumm …“
„Tough“ ist die Pilotin am Anfang. Eine gut ausgebildete Soldatin, wenngleich keine Technokratin. Fliegen „dort oben im Blau“ ist ihre Leidenschaft, auch wenn sie einen Kampfjet steuert. Doch dann wird sie schwanger, gebiert eine Tochter, und alles ist anders. Ihren „Tiger“ darf sie nicht mehr fliegen, als sie sich zum Dienst zurückmeldet, wird vielmehr zur „Chairforce“ versetzt, zu den „Sesselfurzern“, wie sie die Kampfdrohnenpiloten verächtlich nennt. Nun ist sie selbst eine, zwölf Stunden täglich vor dem Bildschirm, am Joystick statt am Steuerknüppel und abends wieder im trauten Heim bei Mann und Kind. Vorbei das Pilotenleben, als sie mit den Staffelkameraden nach dem Einsatz noch ein Bierchen zischte. Stattdessen nervt sie „mein 19-Jähriger“, der Navigator und Lenker der Drohnenkameras, der neben ihr im Sessel zwar nicht „furzt“, aber beständig Kaugummi schmatzt (wie man aus dem Off auch hören kann). Etappe – „post-heroisch“: Der Krieg scheint noch ferner als ohnehin schon „oben im Blau“, von wo sie einst ihre Sidewinder-Raketen abschoss. Jetzt drückt sie nur noch aufs Knöpfchen, „und Bumm, ein stilles graues Bumm“ – ganz ohne Ausrufezeichen.
An sich ja nicht schlecht, dass „Männer im kampffähigen Alter“ in der fernen Wüste Afghanistans mit einem Joystickklick „ausgeschaltet“ werden können, ohne das eigene Leben zu gefährden. Die Pilotin, der Jennifer Böhm neben den burschikos militärischen zunehmend auch zärtliche Töne der Mutter einer Tochter entlockt, versucht sich zu arrangieren mit dieser „sauberen“ Art des Soldatseins – und sich das Feindbild zu erhalten, selbst wenn es nur sich bewegende Pixel auf dem Bildschirm sind. Willy Hans’ Videos, die auf das sterile Bühnenbild von Nina Sievers projiziert werden, lassen den fernen Krieg auch nur unscharf erahnen, verzichten auf die Videospiel-Clips, wie wir sie von Wikileaks kennen, werfen vielmehr die Schatten des Krieges auf die Pilotin, die mehr und mehr Besitz von ihr ergreifen.
Der ferne Krieg kommt ganz nah
Denn so fern der Krieg am schwarz-weißen Drohnen-Bildschirm ist, so nah kommt er doch im Moment des Tötens. Zwar ist der Körper der Pilotin im adretten Flieger-Dress (Kostüme: Eva Begemann) nicht gefährdet, ihre Psyche aber schon. Und auch uns kommt er ganz nah, wenn Jennifer Böhm von der Bühne direkt ins Publikum springt und jeden einzelnen Zuschauer ins Drohnen-Visier nimmt …
Noch einmal dröhnt das Kampfgeheul, wenn sie als „Göttin von oben“ den „Propheten dort unten“ zur Strecke gebracht hat. Es bricht aus ihr heraus wie eine Befreiung. Doch da war noch ein Pixel auf dem Bildschirm, ein kleines Mädchen, das ihrer Tochter ähnelt … Der Krieg kehrt aus der Ferne zurück in die Nähe des vermeintlich sicheren Heims, aus der Ferne des Bidschirms in die Nähe eines jetzt nicht zuletzt vom Gewissen gepeinigten Ichs.
Die Pilotin zieht den Kampfanzug aus, steht vor uns in verletzlicher Halbnacktheit gleichsam auf dem Boden der Tatsachen, die sie auch aus der Ferne körperlicher Unversehrbarkeit geschaffen hat. Das Weiß, in das sie ihren Anzug umkrempelt, ist keines der Unschuld, es ist das Weiß der Landebahnmarkierungen, mit denen sie vorher schon Kreuze gelegt hat, das leuchtende Weiß des Fadenkreuzes am Bildschirm. An solchem offenen Ende zeigt Jennifer Böhm am bedrängendsten ihre schauspielerischen Fähigkeiten, ihre Wandlungsfähigkeit von der „toughen“ Soldatin in der Totale des Krieges hin zur Nahaufnahme eines „geworfenen“ Menschen in all seiner auch im „sauberen“ Krieg unvermeidlichen Schuld. Und die Botschaft ist klar: Krieg ist immer verheerend, wenn nicht die Körper, dann die Seelen.
Infos und weitere Aufführungstermine: www.theater-kiel.de
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