Giuseppe Verdis „Rigoletto“ in einer einfallsreichen Inszenierung von
Fabio Ceresa im Kieler Opernhaus
Von Christoph Munk
Kiel. Fest verschlossen scheint das steinschwere Portal zum Palast des Herzogs von Mantua, nicht zugänglich für jeden, jedenfalls nicht für die massige Gestalt im Kostüm des venezianischen Karnevals. Wenn es sich dann doch auftut – und das geschieht im Laufe der nun folgenden Aufführung von Verdis „Rigoletto“ immer wieder – eröffnet es stets neue Blicke nicht nur auf die wechselnden Schauplätze des „Melodrammas“, sondern auch auf manche wundersame Deutungen. An ihnen ist die Inszenierung des jungen Italieners Fabio Ceresa reich. Sie wurde mit begeistertem Beifall des Kieler Opernpublikums am Premierenabend gefeiert.

Gefangen im kostbaren Gefängnis aus Stoff: Gilda (Hye Jung Lee) mit Rigoletto (Amartuvshin Enkhbat) (Foto: Olaf Struck)
Konventionell erscheinen zunächst die mit Kassettenwänden hoch eingerüsteten Räume (Bühnenbild: Domenico Franchi), in denen die uniformiert gekleideten Höflinge (Kostüme: Giuseppe Palella) ihren Ball feiern: Die Herren tragen rotglänzende Brustpanzer unter schattig-violetten Umhängen. Die Damen paradieren allesamt in roter Robe – wenig überraschend also, dass sie sich vor den Augen des Herzog alle gleichen: „Questa o quella per me pari sono“. Rigoletto, den Hofnarren, aber beschwert ein ausladendes Vogelkostüm und eine Hahnenkappe und mit sich schleppt er eine gewichtige Truhe. Man darf darin seinen kostbarsten Schatz vermuten und darf ihr, wie einem Leitmotiv, immer wieder begegnen, und am Ende – man ahnt es – wird Tochter Gilda darin ihren Tod finden.
Wahrnehmungen auf unterschiedlichen Ebenen
Zuhause aber hält Rigoletto sein geliebtes Kind in einem prächtig rot ausgehängten Käfig, einer Riesenschatulle, die – hart am Kitsch entlang – einer Bonbonniere gleicht. Noch so eine Schatztruhe, überdimensional. Sie wird auf Leitern durchstiegen, wenig später, wenn Gilda entführt wird. Und die landet nun erst recht in einer engen Kiste und ruht dort reglos – weit in den zweiten Akt hinein, wenn der Herzog, just darauf sitzend, beklagt, dass man sie ihm entführt habe. Es reimt sich eben nicht alles so leicht, in Ceresas von Einfällen sprudelnden szenischen Dichtungen.
Man sollte wohl an unterschiedliche Ebenen der Wahrnehmung denken, um den Rätseln dieser Inszenierung beizukommen. So lässt sich immerhin erklären, warum der Herzog Rigoletto und Gilda im zweiten Akt beim innigen Vater-Tochter-Duett belauscht und er für sich darin erstmals eine echte Zuneigung erlebt. Folglich treibt es ihn, von neuer Erfahrung verwirrt, in die Arme Maddalenas. Und dort, während des großen Quartetts im finalen Akt, wird er Gilda nicht wahrnehmen, obwohl sie sich ihm körperlich in den Weg stellt. In solchen Versuchen, innere Haltungen hinter äußerem Geschehen erkennbar zu machen, zeigt sich ein entschlossener Gestaltungswille des jungen Regisseurs Fabio Ceresa.
Reale, greifbar kräftige Gestalten
Ganz real erfassbar aber sind die überzeugenden Figurengestaltungen in Verdis Musikdrama. Mag Yoonki Baek mit der schwierigen Partie des Herzogs gesanglich an die Grenzen seiner Möglichkeiten stoßen, sorgt er doch immer wieder für strahlende Auftritte. Die junge Hye Jung Lee verleiht der Gilda eine wunderbar mädchenhafte Gestalt, stimmlich charakterisiert durch einen eher hell leuchtenden, denn lyrischen Sopran. Beherrschend mit allen Farben einer frischen, aber schon füllig ausgestatteten Stimme gestaltet Amartuvshin Enkhbat die Titelrolle. Verführerisch lockende Töne liefert Tatia Jibladze als Maddalena, mit kräftiger Bassgewalt stattet Kemal Yasar den finsteren Sparafucile aus; eindrucksvoll steht und droht Matteo Maria Ferretis Monterone.
In zuverlässigen Händen aber darf man Verdis Partitur bei Generalmusikdirektor Georg Fritzsch finden. Mit dem Philharmonischen Orchester und dem Opernchor sorgt er für einen satten, ausgewogenen Klang. Solider musikalischer Glanz von solcher Qualität überstrahlt alle Rätsel einer ambitionierten Regiearbeit.
Info und Termine: www.theater-kiel.de
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