OK Kid wortspielten elegant in der Pumpe
Von Jörg Meyer
Kiel. Was bleibt wohl mehr in Erinnerung vom Gig des Hip-Hop-Trios OK Kid in der gut gefüllten Pumpe? Die Verwunderung des (live um Gitarre und Bass verstärkten) Trios, dass man „in Kiel auch sonntags noch so gut feiern kann“, das Crowd-Surfing von Sänger Jonas auf den geradezu zärtlich mitfedernden Armen des Publikums oder die bewussten Stilblüten, mit denen OK Kid auf ihrem neuesten Album „Zwei“ den Zeitgeistern die Stirn bieten?
Mit intelligenten Stilblüten hatte schon die beachtliche Support-Band Goldroger vorgelegt: „Ich komm’ nicht klar, kommst du mit?“ Klar kommt man mit in dieses Lebensgefühl einer Jugend, die „Schillers Faust nie gelesen“ hat, wie es in OK Kids Opener „Blüten dieser Zeit“ ironisch heißt. Einer Jugend, die gegen die Zeit(un-)geister von Pegida und Co. statt Faust und Zeigefinger beherzt den Stinkefinger reckt. Schon das Logo auf dem Cover von „Zwei“, am Merchandise-Stand auch auf T-Shirts prangend, deutet solches geradezu dialektische Spiel mit Symbolen an: Eine Hand mit Peace- oder Victory-Zeichen, der Zeigefinger abgeschnitten, so dass der Stinkefinger bleibt …
Dennoch wird der nicht in blinder Wut ausgestreckt, denn OK Kid sind – um in einem alten Bild zu bleiben – weniger Arbeiter der Faust, als vor allem der Stirn. Hinter der brodeln Hook-Lines wie „Ich will nicht, dass du weißt, dass ich weiß, was ich will“, wie sie in „Kaffee Warm“ skandiert. Das ist zwar eigentlich ein Lied über verschmähte Liebe, lässt sich aber zwanglos auch politisch deuten. Und politisch sind OK Kid noch deutlicher als früher schon, wenn im „Mittelfinger-Song“ (Jonas) „Gute Menschen“ „gegen Homophobie und Fremdenfeindlichkeit“ und die chauvinistische Doppelmoral der so genannt „besorgten Bürger“ gewettert wird: „Alles ist einfach, bist du einfach gestrickt … eine Hand wäscht die andere rein.“ So „einfach gestrickt“ wie die Hassbotschaften der „Wutbürger“ sind OK Kids Texte nicht, vielmehr oft um zwei Ecken gedacht. „Reiß ab, was dich zerreißt“ („Februar“) klingt zwar ein wenig nach der alten Scherben-Parole „Macht kaputt, was euch kaputt macht“, aber transformiert um einiges eleganter als diese das Politische ins Private und zurück.
Genauso in „5. Rad am Wagen“, das OK Kid nicht nur wortspielerisch, sondern auch rhythmisch ins Rocken und Rollen bringen. Solche musikalischen Impulse, die das Publikum dankbarst annimmt, setzen Keyboarder Moritz mit in den Intros zuweilen fast psychedelischen und dann unbedingt tanzbaren Elektro-Beats und Raffi mit quirligem Getrommel. Die Wortspiele gewinnen so noch mehr, gerade wenn sie und der Rhythmus gegeneinander und um die Wette laufen. Nach all dem Nachdenkenswerten wollen OK Kid und ihr Publikum gegen Ende auch mal wieder „grundlos (glücklich) sein“ – „ohne doppelten Boden“ und bei Jonas’ Crowd-Surfing buchstäblich auf Händen getragen.
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