Marc Schnittger und sein Puppentheaterprojekt „Planet Eden“
im Studio des Kieler Schauspielhauses
Von Hannes Hansen
Kiel. Der erbärmliche Zustand der Erde und ihrer Menschen – Umweltzerstörung, Kriege, Terrorismus, Übernutzung der natürlichen Ressourcen usw. ad libitum – dürfte hinlänglich bekannt sein. Doch wer ist schuld an der Misere? Gott, sagt der Teufel. Der nämlich habe seine Verantwortung abgegeben und sich „verpisst“. So kann es der Ansicht Satans nach nicht weitergehen. Ohne bewohnte Erde wäre er arbeitslos und würde sich schrecklich langweilen. Auf also zum vermeintlichen Versager. Der hockt, müde geworden, auf dem Saturn und greint und pennt vor sich hin. Die Rettung der Welt tatkräftig angehen? Um Himmels willen, nein. Soll der Teufel das doch machen, Herrgott noch mal. Und der wittert seine Chance. Jetzt ist er der Boss und kann, zum Teufel auch, zeigen, was er kann.
Das ist die Ausgangssituation in Marc Schnittgers Theaterprojekt „Garten Eden“, der im Spiel mit seinen lebensgroßen Puppen am Freitag das Publikum im Studio des Kieler Schauspielhauses begeisterte. Von Hieronymus Bosch’ enigmatischem Triptychon „Garten der Lüste“ inspiriert, nimmt er sich dessen Warnung auf der Bildtafel „Garten Eden“ an, die zeigt, dass schon im Paradies Unheil lauert.
Der Teufel macht sich umgehend an die Arbeit und heuert für seine Pläne den verkannten Professor für Produktentwicklung Dr. Hinnerk Fesst, einen Widergänger von Goethes Faust, an. Mit von der Partie sind Eva, genannt Gretchen, Studentin und Nacktmodell, Laborassistent Bert Engel und der neue Adam. Als Widersacher von Fesst-Faust fungiert Kollege Dr. Wegner.
Professor Fesst will aus CO2 solide Buchenholzblöcke machen. Kleinigkeit, sagt der Teufel, schon geschehen. So geht es munter weiter, aus Schimmel und Mehlwürmern wird Erdbeermarmelade, aus Elektroschrott Hühnerfleisch. Zuerst ist alles paletti und die Menschheit begeistert. Dann aber, als die Preise für Hühnerfleisch und andere durch Zauberei entstandene Erzeugnisse fallen und man nicht weiß, wohin mit Abfallprodukten wie Massen von Lakritze, wendet sich das Blatt, und die Menschheit verflucht den Weltverbesserer: Hinnerk, mir graust vor dir.
Flugs also machen sich Teufel und Professor Fesst an ein neues Projekt. Keine Sintflut sondern die Erschaffung des „Planet Eden“, eines weiteren Erdtrabanten. Doch da mögen Lamm und Löwe zwar friedlich miteinander spielen, aber auf der Erde fallen die Grundstückpreise ins Bodenlose. Groter Schiet, das Projekt Rettung der Welt wird zum zweiten Mal versaubeutelt. Weder Gott, noch Tod und Teufel helfen weiter, das müssen wir schon selber machen. Das ist die Botschaft von Marc Schnittgers Figurentheatergroteske. Seine ausdrucksstarken, karikaturhaft zur Wirklichkeit verzerrten Puppen, die er mit großer Geschicklichkeit führt, als seien sie menschliche Wesen, die Wandlungsfähigkeit seiner Sprache, die er allen Figuren leiht, und die ins fratzenhaft Komische gewendete Anverwandlung von Schöpfungsgeschichte und Faust-Sage machen seinen zwischen Schwank und Apokalypse oszillierenden „Planet Eden“ zum ganz zu Recht gefeierten Bühnenereignis.
Weitere Vorstellungen: Samstag 29.10., 20.30 Uhr und Sonntag, 30.10., 19.30 Uhr. Studio im Schauspielhaus.
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