Die Bühnenfassung von Ildikó von Kürthys „Mondscheintarif“
bei den Komödianten
Von Hannes Hansen
Kiel. Einer Tatsache ist sich die ihrem Namen alle Ehre machende Cora Hübsch sicher: Verliebte Frauen hocken bangend und zitternd am Telefon, warten verzweifelt auf einen Anruf des Geliebten und sind unfähig, die zäh sich dahin ziehende Zeit mit etwas Sinnvollem zu füllen. Männer dagegen fackeln nicht lange, sondern machen sich an die Arbeit. Steuerklärung, Holzhacken, irgendetwas, um die Minuten und Stunden des Wartens nicht nutzlos verstreichen zu lassen. Sagt Coras Busenfreundin Jo, und die toughe Frau muss es ja wissen. Besser jedenfalls als Cora.
Ein Klischee natürlich, wie wir Männer aus leidvoller Erfahrung nur allzu gut wissen. Ein Klischee, das Britta Fochts und Neidhardt Nordmanns Bühnenfassung von Ildikó von Kürthys Roman „Monscheintarif“ zuerst lustvoll bedient, dann aber listig auflöst.
Auf der von Bruno Giurini sparsam und andeutend eingerichteten Bühne der Komödianten ist Sina Schulz diese Cora. Dreiunddreißig Jahre alt, ist sie kein Dummchen, kein verschüchtertes Mädchen. Die Frau mit Lebenserfahrung kennt die Männer. Sagt sie und kräht selbstbewusst in die Welt: „Man sollte sein Fettgewebe mit Stolz tragen.“ Einerseits. Aber warum – andererseits – hockt sie nun am Telefon und zermartert sich das Gehirn? Fragt sich, warum „Danni-Schatzi“, in den sie sich nach einer ersten gemeinsamen Nacht Hals über Kopf verliebt hat, nicht anruft? Weil sie Waden hat, „die jede für sich allein überleben würde“, ihr Bauch zu rund, der Po zu dick ist?
Man sieht schon, allzu weit ist es mit der Gefühlsautonomie Coras nicht her. Und so zittert sie sich dann zum unerwarteten Ende, bei dem dann doch noch alles, alles gut wird. Wirklich.
Unter Christoph Munks Regie der romantischen Ein-Personen-Komödie zieht die Hamburger Schauspielerin Sina Schulz alle Register ihrer Darstellungs- und Gesangskunst und sich dabei mehr als achtbar aus der Affäre. Sie barmt und kreischt, zittert und jubelt und tut dabei in Mimik, Gestik und Stimmaufwand manchmal zu viel. Aber vielleicht soll das so sein, vielleicht nähert die Regie das Stück mit Bedacht dem Schwank, der Sitcom an, um die heutzutage reichlich betulich wirkende Komödie über die Frau in ihrem Widerspruch an und gegen sich mit ihrem dem Gefühlskitsch nicht allzu fernen Ende spottlustig aufzubrechen.
Dafür spricht, dass Christoph Munk mit den beachtlichen gesanglichen Fähigkeiten von Sina Schulz, die außer ihrer Schauspiel- auch eine Musical-Ausbildung hat, auf die Tube der romantischen Ironie drückt. Die Revue ist bei diesem Regisseur ja nie fern und so lässt er seine Heldin mit Stevie Wonders „I just called to say I love You“ und Roy Orbisons „Pretty Woman“ schmachten, mixt Kitsch von Wolfgang Petry und Coolness von DJ Ötzi in die musikalische Melange und würzt mit Brahms volksmusikalisch nach. Und wenn man gerade denkt, nun habe man aber genug von der Hausmannskost aus der emotionalen Wärmestube, versalzt – oder besser gesagt versüßt – er dem Zuschauer die Suppe mit einem Song aus „Der kleine Horrorladen“, der Cora sich eine Rolle als – wohlgemerkt gut betuchtes – Heimchen am Herd wünschen lässt und mit der Zeile „Gehäkelte Gardinen selbst auf dem Gästeklo“ den Gefühlskitsch in Hohn umschlagen lässt und die Chose als Farce entlarvt. Eine Farce, in der sich Sina Schulz’ Cora mehr recht als schlecht durch ihr hoch wogendes Liebesleben schlägt. Immerhin, ihre Heldin opfert die Inszenierung nicht der Häme, sondern lässt sie mit liebevoller Ironie ihr so gar nicht in die Zeit allgemeiner Coolness passendes Gefühlschaos durchleiden. Andererseits: Ende gut, alles gut? Na ja.
Info und Termine: www.komoediantentheater.de
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