„Don Quijote“ als ausgelassenes Kinderstück im Jungen Theater
im Werftpark
Von Christoph Munk
Kiel. Es ist doch ganz einfach: Das muntere Mädchen mit den Gummistiefeln an den Füßen, dem Ringel-T-Shirt und dem roten Röckchen, mit der vorwitzigen Brille und der lustigen Zahnlücke wird ganz schnell zu Don Quijote, dem Helden aus Miguel de Cervantes berühmtem Roman. Schließlich, so erzählt die Bühnenfassung von Christoph Busche, besitzt sie ein großes Lieblingsbuch, in dem die spannenden Geschichten des legendären Spaniers in aufregenden Bildern dargestellt sind. Was liegt näher, als die Abenteuer einfach nachzuspielen. Ist doch alles da, was man dazu braucht: Aus Mamas Salatsieb wird ein Helm, aus einem Blechuntersatz eine Rüstung. Und auf der Leiter kann man so stolz reiten, wie es einst der Ritter auf seiner Rosinante tat.

Ein Buch mit Bildern als Quelle der spielerischen Fantasie: Pia Leokadia spielt Don Quijote. (Fotos: Struck)
Nichts ist unmöglich auf diesem Spielplatz, den Günter Hans Wolf Lemke einem herrlich unaufgeräumten Hinterhof nachempfunden hat, damit die Regisseurin Gunilla Hällström dort Räume und Gelegenheiten für ihre sprühenden Einfälle findet. In Kisten liegt ganz viel Zeug herum, in einer Röhre kann man brauchbare Sachen finden. Und der Junge von nebenan ist schnell überredet, einfach mitzumachen und nicht nur seinen Hunger zu stillen. Er ist ein bisschen ängstlicher und nicht so ganz schnell im Kopf. Also wird er zum Knappen Sancho Panza ernannt, darf aber später auch der König sein oder in die Rolle der schönen Dulcinea schlüpfen.
Sebastian Kreuzer spielt diesen Sancho Panza sympathisch neugierig und fabelhaft begriffsstutzig. Mit ihm können die jungen Zuschauer auf den Sitzbänken im kleinen Saal des Werftparktheaters lernen, was man aus Alltagsgegenständen und ganz gewöhnlichen Ereignissen zaubern kann, wenn man die Fantasie blühen lässt. Pia Leokadia jedenfalls führt mit erfrischender Spielfreude ein kindliches Gemüt vor, in dessen Blick sich die Wirklichkeit geheimnisvoll verwandelt. So werden etwa Spaghetti zu Wüstenmehlwürmern, Möwen zu gefährlichen Seeadlern, ein alter Farbeimer taugt als Krone, eine Gurke als Zepter. Und später kapiert auch Sancho, wie man in einem Plüschpantoffel ein niedliches Kätzchen sehen kann.
„Jeder kann sein, was er will!“ Das ist eine der beglückenden Botschaften, die dieses ausgelassene Kinderstück mit Heiterkeit und spielerischer Eleganz transportiert. Aber es zeigt auch, dass in scheinbar unbedeutenden Kleinigkeiten die Möglichkeiten zu großen Erlebnissen schlummern. Und dass – unabhängig von der Spielzeug-Industrie – die Kraft der Fantasie aus geringen Mitteln immense Reichtümer schaffen kann. Bücher, wie zum Beispiel eins mit verlockenden Bildern und Geschichten von Don Quijote, können dafür die ewig sprudelnde Quellen bilden. Der Weg dorthin lässt sich dank der munter gesungenen und aufgekratzt gespielten Bühnenfassung des Romans im jungen Theater im Werftpark leicht finden.
Info und Termine: www.theater-kiel.de
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