Kari Bremnes begeisterte mit ihren neuen Klangfarben in der Halle400
Von Jörg Meyer
Kiel. Die norwegische Singer-Songwriterin Kari Bremnes ist seit 30 Jahren auf der Bühne und wird in wenigen Tagen 60. Von Alterswerk indes keine Spur in der Halle 400, wo sie das Publikum mit ihren neuen, noch unveröffentlichten Songs zu Applausstürmen hinriss.
Legen wir mal all das beiseite, was wir von ihr wissen, dass man sie (zurecht) mit Joni Mitchell vergleicht (Björk könnte man neuerdings hinzunennen), dass sie den vor kurzem verstorbenen Leonard Cohen als wesentlichen Einfluss nennt, dass ihre Alben in Plattenläden eher unter „Jazz“ einsortiert werden, weil Schubladen halt sein müssen. In der fast vollbesetzten Halle400 könnte sie mit ihrer Band auch unter Electropop, sogar Rave firmieren, wie viele Songs beweisen, die auf das neue Album sollen, das noch nicht im Studio aufgenommen wurde. Alte nicht minder, die auf das Neue bereits verweisen.
Jeder Stimmungslage der Songs derer, die sich nicht mehr auf nordische Melancholie (obwohl die immer noch in manchem Moll-Ton eine Rolle spielt) festlegen lassen will, ist eine Farbe zugeordnet: Blau steht für den „Blue Mood“ wie im sanften Opener „Det Kunne Skjedd“. Es folgt ein frühlingsfrohes Grün in „Glem Ikkje“. „Ich möchte die leichteren Tage umarmen“, schickt die Sängerin diesem Lied voran, wozu auch gleich der Electrobeat einstimmt. Blutrot pulst das Herz in „Det Einaste Vi Ville“, einem Song über das (doch nie) Erwachsenwerden.
Orange steht für den Sommer, jenseits des schweren Balladentons flinkere Beats anstimmend in „Glem Ikkje“, wo sie, wie sie in der Anmoderation vermeldet, die „easy Days umarmen“ will. Allein, es gibt ja Leute, den Tante-Emma-Laden-Besitzer, der die Kontrolle nur mühsam aufgibt. In „Det Må Væere Orden – Das muss in Ordnung sein“ portärtiert Bremnes liebevoll solchen, für den jeder Kunde nur Unordnung in den Laden bringt. Bild für die eigene Kunstordnung und Neuverortung? Wenn ja, dann sehr augenzwinkernd und violett beleuchtet, weil zwischen Blau und flammendem Purpur.
Mit letzterem beleuchtet Bremnes „Skrik – der Schrei“, benannt nach Edvard Munchs gleichnamigem Gemälde – und dessen Gefühl unbändiger Angst vor der Existenz. Dagegen hilft nur das ravige „Kanskje – Vielleicht“, in dem lange befreundete Liebende doch noch auf Erfüllung hoffen dürfen. Und ins Türkis legt Kari Bremnes am Ende ihre „Spor – Spur“, auf der ihr das Publikum begeistert folgt, Zugaben wie „E Du Nord?“ fordernd.
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