Eine Nachlese zur Landesschau des BBK
Von Hannes Hansen
Kiel. Die Weisheit, dass de gustibus non est disputandum wird zwar fälschlicher Weise den alten Römern zugeschrieben, was aber nichts an der Tatsache ändert, dass sich über den Geschmack schlechthin nicht streiten lässt. Und wenn ich nun bei meiner Nachlese zur Landesschau des BBK in der Kieler Stadtgalerie ganz und gar meinem persönlichen Geschmack, genauer gesagt meinen Vorlieben und – ja – Voreingenommenheiten folge, so geschieht das sine ira et studio, ohne Anspruch auf jede begründete kritische Wertung. Und vor allem ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Was also ist mir aufgefallen? Zunächst einmal eine Wahrheit, die mittlerweile eine Binse ist, dass nämlich von dem vor über zwanzig Jahren auf der documenta X von der Ausstellungsleiterin Catherine David verfügten „Ende der Malerei“ nichts zu spüren ist. Jedenfalls nicht in Schleswig-Holstein und auch sonst im weiten Erdenkreis nicht. Und so nimmt dann die Malerei vor Mischtechniken, Fotografie, Installationen und Assemblagen unangefochten den Platz eins unter den künstlerischen Ausdrucksmitteln ein.
Um es gleich vorweg zu sagen, die meisten der 91 Arbeiten, die von der Jury aus 572 eingereichten der Präsentation für würdig befunden wurden, erscheinen mir als solide Durchschnittsware, einige wenige als läppisch oder ärgerlich.
Und was gefällt mir? Zunächst einmal zwei Arbeiten, die einen humorbegabten Schöpfer verraten, was im Bereich der bildenden Kunst ja nicht gerade der Normalfall ist. Da ist zunächst einmal der „Space Knight“ von Tobias Regensburger, eine aus alten Bällen und Plastikschläuchen, aus Stofffetzen, Schrauben, Muttern und allerlei Gerümpel aus Bodenkammern, Kellern und Abfalltonnen zusammengepfriemelte Parodie des Darth Vader und der Jedi-Ritter aus George Lucas’ „Star Wars“. Eine saukomische Assemblage der Marke „Frank Stella meets Arte Povera“.
Auf andere Weise humorvoll ist Bernhard Schwichtenbergs komischer Käfigvogel, der unter dem Motto „Ich pfeif dir was“ anfängt zu zwitschern, wenn man ihm etwas vorpfeift. Ich habe ihm in Erinnerung an glaubensfeste Zeiten, da man noch dem anhing, was Jean-François Lyotard die „große Erzählung“ – heute als „Narrativ“ landauf landab von ahnungslosen Politikern und Kommentatoren missbraucht – nannte, die „Internationale“ vorgepfiffen, und er reagierte prompt. Man kann ihm aber auch Harmloseres wie „Alle Vögel sind schon da“ bieten, der Effekt ist der gleiche.
Etwas für Kinder und das Kind im Manne, wozu mir gleich – als wertkonservatives Gegengewicht zur kommunistischen Hymne – Matthäus 18:3 einfällt: „So ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich (hier ist „der Kunst“ zu ergänzen) kommen.“
Ausgesprochen pfiffig ist auch Volker Tiemanns Installation mit dem schönen, von Michel de Montaigne entlehnten Titel „Wir greifen nach allem, aber wir fassen nur Wind“. Ein hölzernes blaues Band, das von einem kaputten Stuhl sich so beschwingt in die Lüfte hebt, dass man gleich Eduard Mörikes „Frühling lässt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte“ anstimmen möchte, wendet das melancholische Diktum des französischen Edelmanns und Philosophen irgendwie ins Versöhnliche. Das Eigentliche fassen wir nie. Macht aber nix, die Schönheit des Flüchtigen bleibt.
Irgendwie bezaubernd wirkt auf mich Johanna Ludwigs Linolschnitt „ohne Titel“, der auf sinnfällige Weise zeigt, mit welch einfachen Mitteln vielfältige Strukturen zu generieren sind, wenn die Richtschnur eine, contradictio in adiecto, eine geordnete künstlerische Phantasie ist.
Einen groben Keil auf einen groben Klotz setzt Martina Grützmacher mit dem Bild „Welches Schwein hat die anderen freigelassen“, das daran erinnert, dass es Schweine nicht nur im Tierreich gibt und dass erst der Mensch das „Schwein zur Sau“ (Horst Stern) gemacht hat. Nicht sehr subtil, aber wirkungsvoll.
Und was hat mich geärgert? Nun als erstes Inge Momsens „Frostködel“, Steine in rosaroten Socken. Um so viele Ecken kann ich nicht denken, wie es braucht, bevor man versteht, was das soll. Und Titia Ohlavers wolkig farbgesättigte „Afghanische Tafel“ erinnert gar zu sehr an Gotthard Graubners „Kissenbilder“ aus den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, um als originell gelten zu können.
Die Landesschau in der Kieler Stadtgalerie ist noch bis zum 26.2. zu sehen. Öffnungszeiten: Di, Mi, Fr 10 -17, Do 10 -18, Sa, So 11 – 17 Uhr. 26.12.2016 und 1.1.2017 ab 11 Uhr geöffnet. 24., 25. und 31.12. geschlossen Führungen Donnerstags 17 Uhr und nach Vereinbarung. Für Gruppen: 0431 901 34 11. Für Schulklassen: 0431 901 34 09.
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