Beim Jazz Slam im Kulturforum reichten sich Poesie und Musik die beschwörenden Hände

Von Jörg Meyer

Kiel. Der Zauberspruch wirkt immer wieder, wenn sich Worte und Klänge umkreisen, wenn „aus Luftgedanken Bilder ranken eines rosa-grün gepunkteten Elefanten“, wie es Theresa Hahl beschwört, eine der vier Poetinnen, die beim Jazz Slam im ausverkauften Kulturforum dem Poetry Slam Jahr 2016 ein letztes Glanzlicht aufsetzten.

Sonst ist beim Poeten-Wettstreit Musik verboten, aber mit der einfühlsamen Begleitung von Axel Riemann und Peter Weise auf Tasten und Schlagzeug zeigt sich noch einmal mehr der Zauber, den das gesprochene Wort entfalten kann, „weil dieser Text im Augenblick geschieht“, wie die spätere Siegerin Theresa Hahl ihren zweiten Text zu Worte kommen lässt und mit kongenialer Untermalung des Jazz-Duos und leisem Schlüsselklingeln aus dem Publikum zum Klingen bringt. Poesie und Musik schaffen in solchen magischen Augenblicken und dem „Gottvertrauen auf ein bisschen mehr Sinn“ an deren „Wendekreisen eigene Wirklichkeiten“, so Theresa in einem weiteren ihrer poetisch-philosophischen Texte „Über Distanzen“. Letztere schwinden, wenn das Wort nicht nur auf dem Papier steht, sondern gesprochen – und musiziert – wird.

Gewohnt launig und stets mit einigem Schalk zwischen den Zeilen moderiert Hinnerk Köhn die Show der Wortmagier, deren erste Runde Hille Norden eröffnet. „Mir ist zu licht zum Schlafen, die Wände meiner Ohren sind aus Papier“, spricht sie die Zauberformel, die „sanfte Melodie, die durch unsere Stille klingt“ und gleichlautend in der improvisierten Musik des Jazz-Duos. Die warm timbrierte Stimme der nicht nur Poetin, sondern auch Schauspielerin verstärkt den Zauber. Und dass sie auch Filme macht, zeigt sich im Ohrenkino des „Fräulein Mab“ aus Shakespeares „Romeo und Julia“, das eine ganz gewöhnliche Busfahrt zu einer Séance werden lässt.

In einer solchen magischen Szenerie inszeniert auch Andreas Hamer das Wort. In „Elende Hunde“ tanzen die Worte wie die Hexen auf dem Blocksberg, kreisen um sich selbst und fragen immer wieder beschwörend „Bist du da?“, bis sie den Poeten im Veitstanz der Jazzer buchstäblich in die Knie zwingen. Nicht minder gut performt in Wort und Musik ist Andreas’ gruselige Fantasie über einen Gehenkten im Augenblick des Todes. „Hängt ihn!“, brüllen darin die Turba-Chöre, während das Jazz-Duo die Szene in einen teuflischen Jahrmarktswalzer taucht. Wie schon bei Hille Norden gibt’s dafür zweimal 10-Punkte-Höchstwertung aus der Publikumsjury.

Dennoch haben Theresa Hahl und Lennart Hamann knapp die Nase vorn und ziehen ins Finale. Nach der reimenden Reise durch eine stress-lebendige Großstadtnacht und dem brummkreiselnden „Alles endet, auch die Musik“ richtet Lennart darin ein opulentes lyrisches Mahl an, ein geradezu Gelage der Worte, und lässt uns mit ihm „baden in Bratensoße und Poesie“. Das ist „echt fett“ und doch nicht zu dick aufgetragen, unterliegt aber nach finalem Wertungsapplaus Theresas bittersüß verzauberndem „Heidelbeermahl oder die Philosophie auf Garagendächern“.